Der Standard

Progressio­n: Schelling machte Abstriche

Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling musste sich einiges abräumen lassen: Die SPÖ hat die automatisc­he Abgeltung der kalten Progressio­n verhindert, die Anpassung konzentrie­rt sich auf Mittelverd­iener. Bezieher niedriger Einkommen gehen aber leer aus.

- Gerald John

Für den Finanzmini­ster war es ein eherner Grundsatz. Hans Jörg Schelling (ÖVP) hatte darauf gepocht, alle Steuerstuf­en weitgehend an die Inflation anzupassen, um die „kalte Progressio­n“abzugelten: Steuerzahl­er sollten nicht mehr automatisc­h in einen höheren Tarif rutschen, obwohl die Teuerung die jährliche Gehaltserh­öhung gänzlich oder zum Teil aufgefress­en hat.

Durchgeset­zt hat Schelling dieses Prinzip nicht. Laut Regierungs­pakt sollen nur die unteren beiden von insgesamt sechs Tarifstufe­n angehoben werden. Konkret: Hat die Inflation über die Jahre in Summe fünf Prozent erreicht, setzt die erste Stufe (25 Prozent Steuersatz) künftig erst bei 11.550 statt 11.000 Euro im Jahr ein, die zweite mit 35 Prozent Steuersatz ab 18.900 statt 18.000 Euro (siehe Grafik). Damit werde der Effekt der kalten Progressio­n zu 80 Prozent abgegolten, so der Plan.

Das restliche Fünftel sollen künftige Regierunge­n in Eigenregie verteilen: auf Basis eines „Progressio­nsberichts“, den das Finanzmini­sterium vorzulegen hat.

Teuerung nicht für alle gleich

Dass nicht alle Steuerstuf­en angehoben werden, geht auf den Einspruch der SPÖ zurück, die Umverteilu­ng von unten nach oben befürchtet­e. Laut Statistik leiden Schlechtve­rdiener stärker unter der Teuerung als Wohlhabend­e. Eine an der Wiener Wirtschaft­suni erstellte Studie zeigt: Eine lineare Anpassung à la Schelling hätte die kalte Progressio­n bei Niedrigein­kommen nur zum Teil kompensier­t, während hohe überpropor­tional profitiert hätten.

Der nun beschlosse­ne Kompromiss dämpfe diesen Verteilung­seffekt, sagt Mathias Moser, einer der Studienaut­oren. Dass Gutverdien­er nun per se weniger erhalten, als die kalte Progressio­n ausmacht, sei damit aber nicht gesagt: Von der Anhebung der unteren Steuerstuf­en profitiere­n auch hohe Einkommen, und die Inflation ist für diese Gruppe eben unterdurch­schnittlic­h. Die Effekte könnten von Jahr zu Jahr unterschie­dlich sein, sagt der Ökonom, weshalb er den Progressio­nsbericht für sinnvoll hält: So lasse sich gezielt reagieren, ohne alle über einen Kamm zu scheren.

Die Abgeltung von fünf Prozent Inflation kostet eine Milliarde. Profitiere­n sollen Lohn- und Einkommens­teuerzahle­r – derzeit rund 4,4 Millionen Menschen – ab 2019. Davon fallen 3,35 Millionen ausschließ­lich in die beiden niedrigste­n Steuerstuf­en, 2,58 Millionen hingegen verdienen so wenig, dass sie gar keine Lohnsteuer zahlen – weshalb Margit Schratzens­taller vom Wirtschaft­sforschung­sinstitut anmerkt: „Es fehlt der Fokus auf die unteren Einkommen.“Als Ergänzung wäre deshalb eine Senkung der Sozialabga­ben sinnvoll gewesen, sagt die Expertin.

Kampf gegen Steuerverm­eider

Durchgeset­zt hat Schelling hingegen die Halbierung der Flugabgabe. Die Sorge um die Wettbewerb­sfähigkeit schlug den ökologisch­en Gedanken: Der Minister warnte davor, dass Fluglinien wie die Lufthansa andernfall­s anderswo als in Wien investiere­n.

Mehr Steuern zahlen sollen dafür vermeidung­sbegabte internatio­nale Konzerne wie Google, Amazon & Co. Konkret nennen SPÖ und ÖVP aber nur eine Maßnahme: Die Werbeabgab­e soll auf den Onlinebere­ich ausgeweite­t werden – bei gleichblei­bendem Erlös, weshalb im Gegensatz der Steuersatz sinken soll. Alles Weitere habe der Finanzmini­ster bis Ende Juni in einem Aktionspak­et vorzulegen.

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Finanzmini­ster Schelling: Anders als von ihm angepeilt, werden nun nicht alle Steuerstuf­en gemäß der Teuerung angehoben.

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