Umstrittene Besserstellung von Pleitiers
Abschöpfung der Schuldner nur drei Jahre – Keine Mindestquote – Experte Kantner: „Katastrophe“
Die Regierung packt nun auch das heikle Kapitel Privatinsolvenz an. Sie will vor allem gescheiterten Selbstständigen eine rasche Chance auf einen Neustart geben. Dazu soll die Zeit der Abschöpfung von derzeit sieben auf drei Jahre reduziert werden, heißt es im neuen Regierungsprogramm. Und: Das Verfahren gilt als beendet, auch wenn die Mindestrückzahlung von zehn Prozent verfehlt wird. Diese Regelungen gelten nicht nur für selbstständige, sondern auch für private Schuldner.
Zur Erklärung: Wer seine Rechnungen nicht mehr bezahlen kann, hat derzeit mehrere Möglichkeiten, wieder auf solidere finanzielle Beine zu kommen. Meistens erfolgt das im Wege einer Einigung zwischen Schuldner und Gläubiger in Form eines Zahlungsplans. Lehnt die Mehrheit das Abstottern der Schulden ab, kommt es zur Abschöpfung. Dabei wird der Schuldner auf das Existenzminimum gepfändet und muss zehn Prozent seiner Außenstände über sieben Jahre aufbringen. Erst dann kommt es zur „Restschuldbefreiung“. Im Vorjahr wurden knapp 7.900 Privatkonkursverfahren eröffnet.
Aus Sicht der Gläubigerschützer ist das Regierungsvorhaben „eine Katastrophe“, wie HansGeorg Kantner vom Kreditschutzverband von 1870 (KSV) im Gespräch mit dem Standard erklärt. Während die Erleichterung bei Unternehmen in Ordnung gehe, weil deren Sanierung auch für Lieferanten und Banken besser sei als die Liquidation, sieht er bei privaten Schuldnern keine Rechtfertigung für die geplante Besserstellung. Vielmehr würde die Reform „ein funktionierendes Verfahren zerstören“, befürchtet Kantner. Seinen Berechnungen zufolge würden Banken künftig einen Viertelprozentpunkt auf die Zinsen aufschlagen, um die Ausfälle aus dem neuen Privatkonkurs zu kompensieren. Derzeit zahlten Private im Rahmen ihrer Konkurse 150 bis 170 Millionen Euro im Jahr – 80 Prozent davon flössen an Geldinstitute, hat der KSV errechnet. Wenn diese Zahlungsströme großteils ausfielen, würden sie Banken das Minus auf „gute Zahler“überwälzen, erläutert Kantner. „Davor kann ich nur warnen.“
Entwurf bis März
Gänzlich anders sieht das Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der ASB Schuldnerberatung. Die Berechnungen Kantners betreffend höhere Kreditzinsen kann er überhaupt nicht nachvollziehen. Zudem spricht er von so- zialpolitisch wünschenswerten Änderungen. Auf das Existenzminimum gepfändete Personen – viele davon unverschuldet – würden in den Pfusch abgleiten. Zudem fehle die Motivation, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. „Endlich haben auch jene Menschen die Chance auf einen Neustart, die ihn am dringendsten brauchen“, sagt Mitterlehner.
Die Regierung selbst rechtfertigt die Maßnahme bemerkenswerterweise nur mit dem Bedarf seitens der gestrandeten Unternehmer: Von ihnen schafft demnach „nur“ein Drittel die Hürde von einem Zehntel, heißt es im Regierungsprogramm. Der Grund: Ihre Schulden sind mit 290.000 Euro viel höher als die von Privaten (63.000 Euro). Die Regierung will die Änderungen im heurigen März beschließen, die Regelung soll im Juli in Kraft treten. (as)