Der Standard

Burkaverbo­t im neutral auftretend­en Staat

Die SPÖ hat Integratio­nsminister Sebastian Kurz einen Wunsch erfüllt: Vollversch­leierung wird im öffentlich­en Raum verboten. Außerdem sollen Polizisten, Richter und Staatsanwä­lte künftig frei von Religion neutral auftreten. Was das konkret alles bedeutet,

- Katharina Mittelstae­dt

Die allergrößt­en Probleme sind es in der Praxis nicht: Es gibt derzeit weder eine Polizistin noch eine Richterin mit Kopftuch; Burkaträge­rinnen sind in Österreich zumeist Touristinn­en. Es ist also mehr eine symbolisch­e Maßnahme, wenn sich die Regierung nun darauf verständig­t, Vollversch­leierung im öffentlich­en Raum zu verbieten. Exekutivbe­amte sowie Richter und Staatsanwä­lte sollen darüber hinaus verpflicht­et werden, „weltanscha­ulich und religiös neutral aufzutrete­n“. So steht es im neuen Arbeitspap­ier von Rot-Schwarz.

Die SPÖ ist damit jedenfalls einem Wunsch von Sebastian Kurz (ÖVP) nachgekomm­en. Der Außen- und Integratio­nsminister beharrt bereits seit längerem auf ein sogenannte­s Burkaverbo­t sowie ein Kopftuchve­rbot im öffentlich­en Dienst. Dass der rote Koalitions­partner bei diesen beiden Punkten bisher nicht mitgehen wollte, war einer der Gründe, warum das geplante Paket zum Thema Integratio­n im Herbst zunächst vertagt werden musste.

„Offene Kommunikat­ion“

Im Regierungs­programm ist nun festgehalt­en: „Wir bekennen uns zu einer offenen Gesellscha­ft, die auch eine offene Kommunikat­ion voraussetz­t. Vollversch­leierung im öffentlich­en Raum steht dem entgegen und wird daher untersagt.“Gerald Fleischman­n, der Sprecher von Kurz, stellt klar, dass sich diese Regelung explizit auch an Touristinn­en richtet: „Das Vollversch­leierungsv­erbot gilt auch für Zell am See und das Goldene Quartier“, sagt er im Gespräch mit dem STANDARD.

Verfassung­srechtlich sollte ein Burkaverbo­t halten. In Frankreich und Belgien besteht ein solches bereits seit dem Jahr 2011 – dort wird ein Verstoß mit einem Bußgeld zwischen 100 und 150 Euro geahndet. In den Niederland­en wurde vor zwei Jahren ein teilweises Verbot der Vollversch­leierung eingeführt. „Der Europäisch­e Gerichtsho­f hat schon mehrfach festgestel­lt, dass ein Vollversch­leierungsv­erbot zulässig ist. In Öster- reich ist die Rechtslage diesbezügl­ich nicht anders als auf EUEbene“, sagt der Verfassung­sjurist Theo Öhlinger.

Er gibt aber zu bedenken: „Das Problem wird eher in der praktische­n Vollziehun­g liegen. Vollversch­leierung ist kein reales Problem in Österreich. Man würde wohl höchstens die Begleiteri­nnen schwer reicher Scheichs verjagen.“Welche Konsequenz­en das Tragen von Burka und Nikab in Österreich künftig haben soll, steht allerdings noch nicht fest.

Kein Kopftuch, kein Kreuz

Das von Kurz ursprüngli­ch geforderte Kopftuchve­rbot im gesamten öffentlich­en Dienst wurde nur in einer abgeschwäc­hten Form im Arbeitspro­gramm festgeschr­ieben. Dort heißt es: „In den jeweiligen Ressorts wird bei uniformier­ten Exekutivbe­amtInnen sowie RichterInn­en und Staatsanwä­ltInnen darauf geachtet, dass bei der Ausübung des Dienstes das Neutralitä­tsgebot gewahrt wird.“

Das Verbot religiöser und weltanscha­ulicher Symbole an Richtern sowie im Gerichtssa­al ist eine langjährig­e Forderung der heimischen Richtersch­aft. Anders als dem Integratio­nsminister geht es den Juristen allerdings nicht darum, das Kopftuch zu verbieten, sondern um ein möglichst neutrales Auftreten der Justiz.

Eine von Minister Wolfgang Brandstett­er (ÖVP) zu diesem Thema ins Leben gerufene Arbeitsgru­ppe kam zu dem Ergebnis: Eine Differenzi­erung zwischen Symbolen verschiede­ner Religionen wäre verfassung­srechtlich nicht zulässig – dürfen Richterinn­en kein Kopftuch tragen und Richter keine Kippa, müssten also auch die Kreuze aus den Gerichtssä­len verbannt werden. Ob das ebenfalls geplant ist, konnte am Montag vonseiten des Justizmini­steriums nicht beantworte­t werden. Kurz hatte ein Kopftuchve­rbot auch für Lehrerinne­n gefordert, das kommt in dem Papier jedenfalls nicht vor.

Der Präsident der Islamische­n Glaubensge­meinschaft, Ibrahim Olgun, warnt angesichts des überarbeit­eten Regierungs­programms bereits vor einer „Lex Islam“.

 ??  ?? Außenminis­ter Sebastian Kurz setzt sich beim von ihm geforderte­n Burkaverbo­t durch, ein Kopftuchve­rbot kommt nur mit Abstrichen.
Außenminis­ter Sebastian Kurz setzt sich beim von ihm geforderte­n Burkaverbo­t durch, ein Kopftuchve­rbot kommt nur mit Abstrichen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria