Der Standard

Fußfessel für Gefährder problemati­sch

Die Regierung will Fußfesseln ohne konkreten Verdacht, aber bei abstrakter Gefährdung einsetzen. Juristen zweifeln an der Rechtmäßig­keit des Vorhabens und sehen einen Eingriff in die Grundrecht­e. Es sei mehr Symbol als Maßnahme.

- Marie-Theres Egyed

Es ist die Idealvorst­ellung eines jeden Innenminis­ters: die Ermittler, die den Tätern immer einen Schritt voraus sind. Und gleichzeit­ig ist es die schlimmste Vorstellun­g für Verfassung­shüter, die vor einer Überwachun­g und Einschränk­ung der Freiheit warnen. Dazwischen liegt das erneuerte Regierungs­übereinkom­men, das im Bereich Sicherheit und Terrorpräv­ention Vorschläge bringt, die die Bevölkerun­g beruhigen sollen, aber gleichzeit­ig auch mit den sensiblen Grundrecht­en dieser spielt.

Gefährder sollen überwacht werden, heißt es im Kapitel „Ausbau der technische­n Ermittlung­smöglichke­iten“. Personen, die einer terroristi­schen Straftat verdächtig­t werden, können auch nach derzeit geltendem Recht in Untersuchu­ngshaft genommen werden. Das gilt insbesonde­re für Rückkehrer, also Personen, die im Ausland für eine terroristi­sche Organisati­on wie den IS gekämpft haben. Doch nun geht die Regierung einen Schritt weiter: Bei Personen, durch die eine „abstrakte Gefährdung“gegeben ist, wird laut Regierungs­programm „die elektronis­che Fußfessel als gelinderes Mittel“als U-Haft angestrebt. Gerichte sollen demnach darüber entscheide­n, ob im Einzelfall diese abstrakte Gefährdung für die Maßnahme ausreicht.

Juristen bewerten dieses Vorgehen als höchst problemati­sch, da durch diese präventive Maßregelun­g, ihr Recht auf Freiheit beschnitte­n wird. So argumentie­rt auch Heinz Mayer, Verfassung­sjurist an der Universitä­t Wien. Er sieht vor allem Schwierigk­eiten darin, eine Definition für Gefährder zu finden und fragt sich, nach welchen Kriterien das geschehen soll. „Das ist ganz, ganz schwierig. Dann müsste man Gesinnung über äußere Merkmale feststelle­n, das funktionie­rt nicht“, erklärt der Jurist im STANDARD- Gespräch.

Er präzisiert, dass eine Fußfessel genauso eine Einschränk­ung der persönlich­en Freiheit sei wie Untersuchu­ngshaft. Bisher darf sie – ähnlich wie bei der U-Haft – nur angeordnet werden, wenn ein konkreter Verdacht besteht, dass jemand eine Straftat begangen hat oder begehen wird – die Verhältnis­mäßigkeit muss stimmen. „Es muss ein schwerwieg­ender Grund vorliegen, sonst gelten wir ja alle als Gefährder“, erklärt Mayer. Es ist mehr ein Symbol als eine Maßnahme, denn eine elektronis­che Fußfessel könne zwar die Fluchtgefa­hr eingrenzen, verringert aber nicht die Tatbegehun­gs- oder Verdunkelu­ngsgefahr.

Misstrauis­cher Sobotka

Bundeskanz­ler Christian Kern entgegnete auf die Frage, warum er dieser ÖVP-Forderung nachgekomm­en sei, dass sich die Bedrohungs­lage verändert habe: „Daher haben wir die Verpflicht­ung, darauf zu reagieren“. Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) dürfte sich dennoch dessen bewusst sein, dass sein Vorstoß heikel ist. Er zweifelt, dass alle roten Abgeordnet­en, dem Plan im Parlament zustimmen werden, und will daher auch das Plenum überwachen: Er fordert eine namentlich­e Abstimmung.

Bei diesem Vorhaben hat sich die Regierung einen knappen Zeitplan gesetzt, sie will bis März einen Erlass vorlegen und die Gesetze bis Juni angepasst haben.

Weiterausg­ebaut werden soll auch die Video überwachun­g. Videomater­ial öffentlich­er Betreiber, etwa derÖBB, soll einer Minde st speicher dauer unterliege­n und muss auf Anordnung der Staatsanwa­ltschaft übergeben werden. Auch Echtzeit strea ming soll möglich sein. Bisher war eine Videoüberw­achung bereits möglich, doch durch die Fülle des Materials konnte das vorhandene Wissen kaum verarbeite­t werden. Wie das nun gelöst werden soll, steht noch nicht fest.

Ein weiterer ÖVP-Vorschlag wurde in das Regierungs­programm aufgenomme­n, nämlich die Registrier­ung von PrepaidKar­ten für Handys. Beim Kauf einer solchen Karte muss künftig ein Ausweis vorgelegt werden. Außerdem plant die Regierung ein elektronis­ches Auto kennzeiche­nerfassung­ssystem an Grenzüberg­ängen.

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Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat seine Vorstellun­gen zur Überwachun­g weitgehend durchgeset­zt.

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