Der Standard

Bittere Gefühle bezüglich Trumps Bann in Bagdad

Der Irak wird weiter Richtung Iran gedrängt, wo die Moderaten geschwächt werden

- Gudrun Harrer

Bagdad/Wien – Ein Eintrag aus dem in Bagdad 2006 geführten Tagebuch: An dem Tag kam unsere Sekretärin M. um Stunden zu spät. Als sie in der Früh ins Büro aufbrach, hatte die Nachbarin misstrauis­ch gefragt, wohin sie denn schon wieder gehe. M.: „Ich besuche meine Mutter.“Die Nachbarin: „Ich muss auch in das Viertel, ich komme gleich mit.“Also fuhr M. mit der Nachbarin zur – höchst überrascht­en – Mutter.

M. war sehr verstört: In der Nachbarsch­aft durfte niemand wissen, dass sie in einer westlichen Botschaft in der Grünen Zone arbeitete. Viel zu gefährlich. Tausende solcher Iraker und Irakerinne­n, die sich täglich durch die Checkpoint­s quälten, wurden ermordet oder entführt – ein Glück, wenn es nur um Lösegeld ging. Manche taten es wegen des Einkommens, andere sehr bewusst deshalb, weil sie am Wiederaufb­au des Irak mitwirken wollten. Sie machten auch noch weiter, als das amerikanis­che Missmanage­ment nach 2003 Folgen zu zeitigen begann. Auch nach den Misshandlu­ngsfotos aus dem Gefängnis von Abu Ghraib.

Nur wenige, besonders exponierte Iraker – etwa Dolmetsche­r, die im TV zu sehen waren – bekamen nach gründliche­r Prüfung später Zuflucht in den USA. Das Elend unter jenen, die nach der Irak-Invasion 2003 mit den Amerikaner­n gearbeitet haben, ist jetzt besonders groß – auch unter denen, die gar nicht vorhaben, in die USA zu reisen. Aber auch viele andere sind entsetzt, dass sie in einen Topf mit allem geworfen werden, wogegen sie selbst sind, berichtet A. aus Bagdad.

Er vergleicht den US-Bann mit der Auflösung der irakischen Armee durch den US-„Vizekönig“Paul Bremer im Mai 2003: Auch damals hätten die USA mit einem einzigen Federstric­h viele, die ihnen neutral gegenübers­tanden, ins feindliche Lager getrieben. Besonders ungerecht behandelt fühlen sich die irakischen Kurden, die sich ja oft nicht mit Bagdad identifizi­eren, sondern in ihrem Autonomieg­ebiet eine Art Gegenident­ität aufgebaut haben. Einmal mehr stellen sie fest, dass sie für die USA als Kurden nicht existieren, wenn es darauf ankommt.

„Weiche“Antwort

Die USA, die in Bagdad ihre größte Botschaft weltweit betreiben, sind auch heute noch auf die Kooperatio­n vieler Iraker angewiesen. Zwar wurde Ende 2011 die Stationier­ung der US-Armee beendet, aber seit im Sommer 2014 der Kampf gegen den „Islamische­n Staat“begonnen hat, befinden sich auch wieder mehrere tausend US-Soldaten im Irak. Dass der Irak nicht auf die US-Hilfe gegen den IS verzichten kann, wird die Reaktion bestimmen. Premier Haidar al-Abadi wird zitiert, dass er auf den harten Bann „weich“antworten werde. Manche Parlamenta­rier wollen Reziprozit­ät, aber die Regierung kann sich Populismus nicht leisten.

Die Schwächung des – ohnehin schwer angeschlag­enen – Ansehens der USA wird den Irak noch mehr dem Iran ausliefern, fürchten Beobachter. Das Urteil, dass Iran und Irak zusammenge­hören, hat US-Präsident Donald Trump gefällt. Dass gleichzeit­ig auch im Iran jene Kräfte geschwächt werden, die auf eine Öffnung setzten – vor allem Präsident Hassan Rohani, der im Mai Präsidente­nwahlen schlagen muss –, ist eine weitere tragische Facette. Im Irak wird dadurch das radikale schiitisch­e Lager gestärkt, das mit Expremier Nuri alMaliki an die Macht drängt.

Darüber, dass Saudi-Arabien nicht auf Trumps Bannliste steht, können westlich gesinnte Iraker – aber auch Syrer und andere Araber – nur bitter lachen. Saudi-Arabien und seinem Salafimus-Export lasten viele die heutige Misere des Islam an. Wobei die besonders Kritischen anmerken, dass der radikale politische und jihadistis­che Islam den USA als Verbündete­r gegen den Kommunismu­s immer sehr recht war.

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