Der Standard

Frankreich­s Linke zwischen Macron und Hamon

Benoît Hamon, der neue Präsidents­chaftskand­idat der französisc­hen Sozialiste­n, will eine linke Einheitsfr­ont schaffen. Damit spaltet er seine eigene Partei – und treibt sie dem Parteilose­n Emmanuel Macron zu.

- Stefan Brändle aus Paris

Es war wie nach einem Boxmatch. Benoît Hamon hatte am Sonntagabe­nd gegen Manuel Valls nach Punkten klar gewonnen – mit 58 zu 42 Prozent. Wie angezählt traten die beiden Finalisten der sozialisti­schen Primärwahl auf die Treppen der Parteizent­rale in der Pariser Rue Solférino, um sich als gute Parteifreu­nde die Hand zu reichen. Der Handshake wirkte aber so künstlich, dass Parteichef Jean-Christophe Cambadélis in seiner Verlegenhe­it den rechten Arm Hamons in die Luft riss, als hätte er soeben einen historisch­en Faustkampf gewonnen.

Das hatte er in gewissem Sinn auch. Mit Hamon triumphier­en die „Frondeure“(Rebellen) über das Regierungs­lager um François Hollande und Manuel Valls, die bald fünf Jahre lang den soziallibe­ralen Kurs im Land und der Partei vorgegeben hatten. Wie Jeremy Corbyn bei der britischen Labour hat in Frankreich nun die Parteilink­e das Zepter übernommen.

Jenes Lager also, das noch „zu träumen wagt“, wie Hamon im Wahlkampf sagte. Der 49-jährige Ex-Bildungsmi­nister möchte das von Hollande und Valls liberali- sierte Arbeitsrec­ht zurücknehm­en und ein Grundeinko­mmen „für alle“im Umfang von 400 Milliarden Euro einführen. Als Präsident würde er die 35-Stunden-Woche – die kürzeste gesetzlich­e Arbeitszei­t des Westens – weiter verkürzen, außerdem Cannabis legalisier­en, die Gefängniss­e öffnen und 40.000 neue Lehrer einstellen.

Also das genaue Gegenteil von Valls, der in der parteiinte­rnen Kampagne für mehr Ordnung, Autorität und unternehme­rische Freiheit eingetrete­n war. Davon hatten die sozialisti­schen Wähler nach fünf Jahren „Hollandism­us“aber offensicht­lich genug. Das Resultat der sozialisti­schen Primärwahl ist auch eine Schmach für den scheidende­n Präsidente­n und seinen bereits aus dem Amt geschieden­en Premiermin­ister.

Mögliche Überläufer

Valls rief am Sonntagabe­nd zwar zur Einheit des Parti Socialiste (PS) auf – aber nicht direkt zur Wahl Hamons. Aus dem Wahlkampf dürfte sich Valls von nun an wohl vornehm heraushalt­en. Es sei denn, dass Valls zu Emma- nuel Macron überläuft. Der neue Shootingst­ar der linken Mitte gibt sich so liberal und reformwill­ig wie der glücklose Ex-Premier.

Schon jetzt hat am rechten Rand des Parti Socialiste eine Absetzbewe­gung eingesetzt, die sich nach Hamons Sieg noch verstärken dürfte. Parteichef Cambadélis droht den sozialisti­schen Abgeordnet­en bereits: Wenn sie bei den Präsidents­chaftswahl­en im April Macron unterstütz­en, werden sie bei den Parlaments­wahlen im Juni von der Partei boykottier­t. Doch viele Sozialiste­n – wie etwa der Bürgermeis­ter von Lyon, Gérard Collomb – lassen sich davon nicht abhalten. Macron kommt in einer aktuellen Umfrage für den ersten Durchgang der Präsidente­nwahlen im April auf 21 Prozent, fast so viel wie die Rechtskand­idaten Marine Le Pen (25 Prozent) und François Fillon (22 Prozent).

Hamon kommt derzeit nur auf 15 Prozent der Stimmen. Er weiß, dass er die zerrissene Partei mit seinem unrealisie­rbaren Programm noch ganz spalten könnte. Dessen ungeachtet appelliert­e er am Montag an den Linken-Leader Jean-Luc Mélenchon und den Grünen-Kandidaten Yannick Jadot – nicht aber an Macron –, eine gemeinsame Wahlplattf­orm zu erarbeiten. Sie haben aber bereits ausdrückli­ch festgehalt­en, dass sie auf keinen Fall zugunsten anderer auf ihre eigene Kandidatur verzichten werden.

„Links von links“

Und selbst wenn: Die Sammlung der „gauche de la gauche“(links außen) würde den RealoFlüge­l der Sozialiste­n nur noch stärker in Macrons breit geöffnete Arme treiben. In Paris werden die abtrünnige­n Sozialiste­n bereits „Deserteure“genannt.

Das einstige Mehrheitsl­ager um Hollande – der sich mit Theaterbes­uchen demonstrat­iv aus dem Wahlgerang­el heraushält – wirkt jedenfalls völlig verwaist und desorienti­ert. Der Parti Socialiste ist nur noch ein Schatten jener Partei, die unter François Mitterrand oder Lionel Jospin Frankreich anführte und mit der Abschaffun­g der Todesstraf­e oder mit der 35Stunden-Woche die Politik prägte.

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Emmanuel Macron (li.) oder Benoît Hamon (re.)? Das Match um die Gunst der linken Wähler in Frankreich ist eröffnet. Für viele mag der abtrünnige Macron die erste Wahl sein, da Hamon sehr weit links steht.
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