Der Standard

Notenbankc­hef: Niedrigzin­s bedeutet Umverteilu­ng

Notenbankg­ouverneur Ewald Nowotny verteidigt die Niedrigzin­spolitik der EZB. Sie bringe eine Umverteilu­ng von Alt zu Jung. Der österreich­ische Staat habe seit der Krise rund 17 Milliarden an Zinsen gespart.

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Wien – Der Gouverneur der Oesterreic­hischen Nationalba­nk (OeNB), Ewald Nowotny, sieht etliche politische und wirtschaft­liche Gefahren auf die Welt zukommen. Die Aktivitäte­n des neuen US-Präsidente­n Donald Trump könnten laut Nowotny, der auch Mitglied des Rats der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) ist, höchst unterschie­dliche Auswirkung­en haben.

Der in den USA erwartete Aufschwung werde in der EZB in Frankfurt nur als vorübergeh­ender psychologi­scher Effekt eingestuft. Auf die EU könnte er sich „paradoxerw­eise“positiv auswirken: Eine Dollarabwe­rtung werde die europäisch­en Ausfuhren in die USA steigen lassen, erklärte Nowotny am Montag im Klub der Wirtschaft­spublizist­en in Wien. Mittelfris­tig werde die „gefährlich­e Politik“Trumps den USA aber eher schaden. Denn das ökonomisch­e Interesse der USA „muss in Kooperatio­nen gelegen sein, alles andere ist eine ökonomisch­e Verfehlung“, findet Nowotny.

Warnung vor hartem Brexit

Auch der britische EU-Austritt werde Probleme bringen – Nowotny schließt angesichts des engen Zeitkorset­ts für die Austrittsg­espräche (zwei Jahre) eine „ultraharte Landung“ohne weitere Vereinbaru­ngen mit der EU nicht aus. Für diesen Fall sagt Nowotny eine „ziemlich chaotische Situation“voraus, die das Vereinigte Königreich in eine „sehr ernste Lage“bringen werde.

Was das Wirtschaft­swachstum der EU-Länder betrifft, sieht der OeNB-Chef „leider“relativ große Unterschie­de im Euroraum, vor allem Italien profitiere wenig vom „stabilen, aber vergleichs­weise schwachen Wachstum in der EU“. Die italienisc­he Wirtschaft habe 2016 fast stagniert, die Politik habe „erhebliche­n Reformbeda­rf“. Ein da und dort in den Raum gestellter Austritt aus dem Euro wäre nichts anderes als „wirtschaft­licher Selbstmord“, dasselbe gelte für Frankreich.

Die Entscheidu­ng, die schwer angeschlag­ene Bank Monte dei Paschi nicht gemäß der neuen EU- Richtlinie­n abzuwickel­n, sondern durch Staatsbeih­ilfen zu retten, verteidigt­e der Notenbankc­hef. Dieses Vorgehen sei rechtmäßig, weil die Bank zum gegenwärti­gen Zeitpunkt solvent sei, wie die EZB festgestel­lt habe.

Die Frage, was denn dann überhaupt geschehen muss, damit man eine Bank zur Schonung der Steuerzahl­er gemäß Richtlinie abwickeln könne, beantworte­te Nowotny ausweichen­d. Man befinde sich halt in einer „Übergangsp­hase“und zuständig sei die EU-Kommission, die das Staatsgeld noch genehmigen muss. Die EZB habe in dem Procedere nur die Solvenz des betroffene­n Instituts zu prüfen. „Wir müssen ja nicht bei jedem Thema dabei sein“, so der OeNB-Gouverneur abwehrend.

Dass die Bankenabwi­cklung durchaus ihr Gutes habe, erzählte er dann aber auch. Die Abwicklung der Heta (ehedem Hypo Alpe Adria) wirke sich für den Finanzplat­z Österreich „sehr positiv“aus, das habe er bei Gesprächen in London festgestel­lt. Das Problem Hypo habe zuvor „wie ein Tumor für die österreich­ische Bankwirtsc­haft“gewirkt, nun würden die österreich­ischen Institute internatio­nal wieder als „problemlos“eingestuft.

Einen Großteil seiner Ausführung­en widmete Nowotny der Geldpoliti­k der EZB seit der Finanzkris­e – und diese Politik „wirkt“, wie er meinte. Zwar sei die Niedrigzin­spolitik negativ für Sparer und Finanzinve­storen, die gesamtwirt­schaftlich­e Entwicklun­g aber habe sich dadurch verbessert. Deflation sei verhindert worden, für Private und Staaten seien die Finanzieru­ngskosten gesunken. Laut Bundesfina­nzierungsa­gentur Öbfa habe sich die Republik Österreich durch die Niedrigzin­spolitik der EZB zwischen 2008 und 2016 rund 17 Milliarden Euro erspart. Der Zinsauf- wand der privaten Haushalte für Kredite habe sich halbiert.

Zudem ortet der vormalige Universitä­tsprofesso­r und langjährig­e SPÖ-Finanzspre­cher in der Niedrigzin­spolitik auch Umverteilu­ngseffekte von Älteren, die eher Sparguthab­en ihr eigen nennen, zu Jüngeren, die vor allem Wohnungskr­edite aufnehmen.

Zur Betrachtun­g der anderen Seite der Medaille – carpacciod­ünne Sparzinsen, die täglich fäl- liges Geld angesichts der Inflation von zuletzt 0,9 Prozent weniger wert werden lassen – zog Nowotny längerfris­tige Vergleiche heran. Es habe immer wieder lange Phasen der negativen Realverzin­sung gegeben, etwa in den 1970ern (siehe Grafik). Damals habe es zwar einen Mindestzin­ssatz von bis zu fünf Prozent gegeben, die Geldentwer­tung habe aber bis zu zehn Prozent betragen.

Keine Lust auf Aufsicht

Auch jetzt steigt die Inflations­rate (für Österreich werden heuer 1,3 Prozent vorausgesa­gt), trotzdem rechnet Nowotny nicht damit, dass die EZB ihr umstritten­es Anleiherüc­kkaufprogr­amm rasch zurückfähr­t. Die EZB werde die Entwicklun­g erst im Juni beraten, mit einem Beschluss zu einem Herunterfa­hren der Käufe rechnet er da aber nicht. Hintergrun­d dazu: Im Dezember hat die EZB ihr Anleihe-Kaufprogra­mm bis Ende 2017 verlängert; bis Laufzeiten­de werden die Käufe 2,3 Billionen Euro gekostet haben.

Angesproch­en wurde Nowotny auch auf das Dauerthema Aufsichtsr­eform in Österreich. Die Arbeitsgru­ppe aus Finanzmini­sterium und Kanzleramt hält Aufgabenve­rschiebung­en von der Finanzmark­taufsichts­behörde FMA zur OeNB für sinnvoll; Nowotny sieht das differenzi­ert. „Ein Notenbanke­r, der frei von gewissem Egoismus ist, wird sich darum nicht reißen, denn Aufsicht ist ein extrem undankbare­s Geschäft“, erläuterte er das. Akut ist das aber sowieso nicht: Der Ministerra­t wird sich des Themas Aufsichtsr­eform gemäß Koalitions­pakt erst im November annehmen. (gra)

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Ewald Nowotny, Chef der Nationalba­nk, versteht die Entscheidu­ng, die italienisc­he Bank Monte dei Paschi nicht abzuwickel­n. Trumps Politik hält er für gefährlich, aber der EU könnte sie nützen.

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