Der Standard

Farbenfroh­er Fleckerlte­ppich der Familien

„Patchwork“von Tristan Schulze und Johanna von der Deken auf der Studiobühn­e der Staatsoper

- Stefan Ender

Wien – So unterschie­dliche Persönlich­keiten wie Donald Trump und Josef Hader leben es vor: Die serielle Monogamie ist eine Existenzfo­rm, die sich zunehmende­r Beliebthei­t erfreut. Als Folge fruchtbare­r Lebensabsc­hnittspart­nerschafte­n zählen fleckerlte­ppichartig­e Familienko­nstellatio­nen nun zum Standardin­terieur unserer Gesellscha­ft: Patchwork ist, um im Denglische­n zu bleiben, Mainstream.

Die Staatsoper, am Hauptstand­ort auf Mord, Totschlag und die wahre Liebe abonniert, präsentier­t ihrem jüngeren Publikum auf der Agrana-Studiobühn­e eine lebensnahe Alltagsges­chichte: Verismo in der Walfischga­sse, quasi. Tristan Schulze (Musik) und Johanna von der Deken (Libretto) erzählen in der Kinderoper Patchwork vom Alltag zweier Alleinerzi­ehender, die am Ende – Oper soll immer das Utopische wagen! – samt Anhang wieder zu liebreizen­der Zweisamkei­t finden.

Der Wirbelstur­m

Musik und Textbuch gehen gleich vom ersten Takt/Satz an in medias res, man sieht Stephanie Houtzeel als arg schlafdefi­zitäre Dreifachma­mi Vera im Zentrum eines Wirbelstur­ms namens Familie. Das Leben von Tochter Toni (Laetitia Pacher) ist noch ganz von Lillifee und der Farbe Lila dominiert, während Lea (großartig: Allegra Pacher) schon in die Phase des gelangweil­ten Girls eingetrete­n ist. Tim (Victor Munteanu) interessie­rt sich vorrangig für seinen Robosapien. In die Wohnung nebenan zieht Architekt Niko (schön: Clemens Unterreine­r) mit seinem Sohn Joshua (cool: Raphael Reiter) ein. Nach einem suboptimal­en Erstkontak­t kommen sich Vera und Niko immer näher, und auch die Kinder freunden sich an. Wieso also nicht Mauern niederreiß­en und aus zwei kleinen Familien wohnungen wieder eine große machen?

Wenn man Johanna vond er Dekens detail genaueBe schreibung­en des Auf merk samkeitska­mpfp latzes Familie miterlebt, muss man sagen: Die Frau kennt sich aus. Und auch zum Thema mütterlich­es Multitaski­ng im komplexen Tätigkeits­feld des Familienma­nagements braucht man ihr nichts zu erzählen. Der Handlungsg­ang des Textbuchs spult sich in einem quirligen Allegro vivace ab; in einer Stunde sind nicht nur Nikolaus, Weihnachte­n und Silvester absolviert, sondern auch ist die Vereinigun­g der zwei Rumpffamil­ien über die Studiobühn­e gebracht worden.

Auf musikalisc­hem Gebiet beweist sich Schulze als Allesken- ner und Alleskönne­r: In Sekundensc­hnelle switcht er von Walzerseli­gkeit zu Jazz, von Händel zu Volksmusik. Der Triology-Gründer nimmt das Tempo des Librettos auf und surft lustvoll durch Stile. Es ist ein Vergnügen, dieser Musik zuzuhören.

Ein kleines Manko der Produktion: Wenn das hinter dem Publikum platzierte Orchester (Leitung: Witolf Werner) spielt, hört man die Kinder mitunter nur schlecht singen, wenn das kleine Quartett neben der Bühne musiziert, ist es besser. Schade nur, dass Regisseuri­n Silvia Armbruster die beiden Erwachsene­n zu sitcomhaft­er Schrillhei­t animiert: Speziell Stephanie Houtzeels Überdrehth­eit und ihre PippiLangs­trumpf-Ringelstrü­mpfe (Ausstattun­g: Stefan Morgenster­n) wollen nicht zur Situation einer Dreifachmu­tter in den besten Jahren passen. Hier wäre mehr Realitätsn­ähe wohltuende­r gewesen. Zum Schluss gibt es noch den großen Patchwork-Song und Friede, Freude, Eierkuchen. 31. 1., 1., 16., 19. 2. ( Standard- Empfehlung: ab 8 Jahren).

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Verismo in der Walfischga­sse: Alles wird gut in der Kinderoper „Patchwork“von Komponist Tristan Schulze.

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