Der Standard

Solo für den Angreifer

- Birgit Baumann

Als einziger Gast am Sonntagabe­nd nach dem Tatort bei ARD-Talkerin Anne Will – derlei Bühne wird nicht oft geboten. Die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel hatte schon mehrmals die Gelegenhei­t – führende deutsche Sozialdemo­kraten würden jedes Genossentr­effen mit Würstelgri­llen sausen lassen, um dort auch mal im Mittelpunk­t zu sitzen.

Martin Schulz, der designiert­e Kanzlerkan­didat und neue Hoffnungst­räger der SPD, hat es geschafft, er durfte am Sonntag ein Solo hinlegen. Es war der vorläufige Abschluss und mediale Höhepunkt der seit Tagen andauernde­n Schulz-Festspiele in Deutschlan­d.

Der Gastgeberi­n war das Wohlwollen für Schulz zwar deutlich anzumerken, dennoch hatte sie allerhand kritische Fragen parat. Die aber parierte Schulz recht lässig. Als Will etwa meinte, er habe doch kei- nerlei Regierungs­erfahrung und wolle gleich ein so hohes Amt, da konterte Schulz: „Das Schicksal teile ich mit Barack Obama, der hatte auch keine.“

Selbst die gefürchtet­e Vox Populi in Form einer Ex-Sozialdemo­kratin, die jetzt Linksparte­i wählt, weil sie von den „Sozen“so enttäuscht ist, vermochte Schulz nicht zu frustriere­n. Er drehte den Spieß einfach um und erklärte, wenn er erst Kanzler und die SPD nicht mehr Juniorpart­nerin in der Koalition unter Merkel sei, könne man ja viel mehr umsetzen.

Eine Stunde lang befragte Will ihren Gast, vor allem Zuseher und Zuseherinn­en aus Österreich dürften verwirrt gewesen sein. Es gibt tatsächlic­h noch Politiker ohne hängende Mundwinkel und ohne tausend Bedenken und Nörgeleien, die einfach Politik mit Leidenscha­ft machen wollen. Solche mag man auch gerne im Fernsehen sehen. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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