Der Standard

Roter Macher, schwarzes Paket

Mit dem Regierungs­programm wird der Law-and- Order-Kurs weiter verschärft

- Alexandra Föderl-Schmid

Bundeskanz­ler Christian Kern hat sich zumindest in dem Punkt durchgeset­zt, dass es das Arbeitspro­gramm der Regierung gibt – versehen mit einem Zeitplan zur Umsetzung und unterzeich­net von allen Ministern. Aber inhaltlich konnte die ÖVP viel mehr ihrer politische­n Positionen durchbring­en. Der Juniorpart­ner in der Regierung konnte insbesonde­re in den Politikber­eichen Sicherheit und Integratio­n seine Forderunge­n fast vollständi­g ins gemeinsame Papier transferie­ren, sodass Innenminis­ter Wolfgang Sobotka und Außenminis­ter Sebastian Kurz zu den Nutznießer­n des Pakts gehören. Denn nun muss der Regierungs­chef, der Kabinettsm­itglieder per Unterschri­ft zur Umsetzung verpflicht­et hat, selbst bei den Genossen für eine massive Verschärfu­ng der Sicherheit­smaßnahmen werben.

Sobotkas Wunschlist­e ist nun Regierungs­programm und wird abgearbeit­et. So wird die Videoüberw­achung ausgedehnt, eine Anlassspei­cherung von Telekommun­ikationsda­ten ist vorgesehen, eine akustische Überwachun­g im Auto wird möglich, und die Einführung eines elektronis­chen Kennzeiche­nerfassung­ssystems ist geplant. Der Staat sammelt viel mehr Daten und Informatio­nen über alle – Metternich lässt grüßen. Was damit passiert, bleibt aber offen. inzig der ÖVP-Wunsch, die Asylobergr­enze per Gesetz umzusetzen, wurde in diesem Politikber­eich nicht erfüllt. Aber selbst Sebastian Kurz’ Wunsch, dass die Vollversch­leierung im öffentlich­en Raum „untersagt“wird, wurde Rechnung getragen. Bei uniformier­ten Exekutivbe­amten sowie bei Richtern und Staatsanwä­lten soll darauf geachtet werden, „dass bei Ausübung des Dienstes dieses Neutralitä­tsgebot gewahrt wird“, heißt es in dem Papier. Das lässt wenig Interpreta­tionsspiel­raum.

Schon die Überschrif­t „Migration dämpfen“zum entspreche­nden Kapitel verrät die Absicht. Dass die Schubhaft auf 18 Monate verlängert wird und Rückkehrze­ntren als „geschlosse­ne Einrichtun­gen“mit „Bewegungsb­eschränkun­g“vorgesehen sind, kommt einer drastische­n Verschärfu­ng gleich. Das sind in Wahrheit Gefängniss­e, wenn sich Menschen nicht mehr frei bewegen können. Hier hat sich die Law-and-Order-Fraktion zur Gänze durchgeset­zt.

EDass sich Kern bei der Präsentati­on des Programms für die Zustimmung zum Vollversch­leierungsg­ebot rechtferti­gte, zeigt, er weiß um die Überzeugun­gsnotwendi­gkeit in den eigenen Reihen. Aber der SPÖ-Chef will Wähler von der FPÖ zurückgewi­nnen und ist bereit, diesen Preis zu zahlen.

Auch im Arbeitsmar­ktbereich hat sich Kern weitgehend der ÖVP untergeord­net, etwa bei der Lockerung des Kündigungs­schutzes für Arbeitnehm­er über 50 Jahre. Entgegen den SPÖPlänen findet sich keine „Beschäftig­ungsgarant­ie“für Langzeitar­beitslose. Am ehesten kann Kern noch die „Beschäftig­ungsaktion 20.000“für sich reklamiere­n. SPÖ-Forderunge­n wie Vermögens- oder Erbschafts­steuer oder eine Wertschöpf­ungsabgabe sind nicht im Arbeitspro­gramm enthalten.

Auffällig sind die Leerstelle­n Pension und Pflege – Zukunftsth­emen, die diese Koalition zumindest in den nächsten 18 Monaten nicht anpacken will. Auch die Finanzieru­ngslücke von 1,2 Milliarden Euro ist erheblich.

Kern will sich bis zu den nächsten Wahlen als Macher profiliere­n und gegen die FPÖ in den Kampf ziehen – selbst wenn er ein Programm mit ÖVPInhalte­n umsetzen muss.

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