Der Standard

KOPF DES TAGES

Mit linken Ideen auf der Jagd nach der Mehrheit

- Stefan Brändle

Benoît Hamon mag kein Beau sein, kein Redegenie, kein gewiefter Taktiker. Aber er hat Überzeugun­gen: Der Präsidents­chaftskand­idat von Frankreich­s Sozialiste­n will ein Grundeinko­mmen von monatlich 750 Euro für alle Franzosen. Er will die gesetzlich­e Arbeitszei­t auf 32 Stunden reduzieren, um Jobs zu schaffen. Er will François Hollandes Arbeitsrec­ht wieder abschaffen, Roboter besteuern, Dieselmoto­ren verbieten; dafür aber Cannabis legalisier­en, Flüchtling­en eine Arbeitsbew­illigung geben und die „Wahlmonarc­hie“der Fünften Republik durch eine soziale und ökologisch­e Verfassung ersetzen.

Viele Ökonomen halten Hamons Vorschläge für unrealisie­rbar – allein die Idee zum Grundeinko­mmen würde so viel kosten wie das Jahresbudg­et Frankreich­s. Der 49-jährige Linkssozia­list kontert, alles sei möglich, wenn man Steuerfluc­ht und Steuernisc­hen effektiv bekämpfe. Um seinen neuen Ansatz zu unterstrei­chen, zitiert er den Philosophe­n Tocquevill­e: „Jede Generation ist ein neues Volk.“

Ganz so neu ist Hamon mitnichten in der Politik, obwohl ihn viele Franzosen erst jetzt in der Primärwahl der Sozialiste­n entdeckt haben. Schon 1993 leitete er die Jungsozial­isten, dann wurde er Europaparl­amentarier, Parteispre­cher, dann ihr Abgeordnet­er, unter Hollande schließlic­h Minister – bis er wegen seiner Opposition gegen das Arbeitsrec­ht 2014 entlassen wurde.

Hamon ist aber auch kein Karrierist – und das spüren die Franzosen. Sie, die sich gern ernst und wichtig nehmen, schmunzeln über Hamons Schalk. Als er vor Jahren in einem politische­n Wellental landete, witzelte er per Twitter über sich: „Während die Sozialiste­n beim Verbot der Ämterkumul­ation Fortschrit­te machen, habe ich das letzte Stadium des Kumulation­sverbots erreicht: Ich habe überhaupt kein Mandat mehr.“

Jetzt hat er den wichtigste­n Auftrag seiner Partei: Er soll Präsident werden und den Sieg der Rechten verhindern. Mit seinen linken Ideen scheint er jedoch kaum mehrheitsf­ähig zu sein. Wird er sie anpassen, um siegen zu können? Kaum: Hamon ist ein Überzeugun­gstäter.

Seine Gegner schimpfen den gebürtigen Bretonen einen Pariser „Bobo“, weil seine katalanisc­h-dänische Frau Gabrielle Guallar, mit der er zwei Kinder hat, einen Kaderposte­n beim Luxusgüter­konzern LVMH besetzt. Hamon geht gar nicht darauf ein: Er hält seine Familie eisern aus den Medien raus. Er mag keine Promis, er mag das Volk.

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Foto: Reuters Benoît Hamon, sozialisti­scher Präsidents­chaftskand­idat in Frankreich.

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