KOPF DES TAGES
Mit linken Ideen auf der Jagd nach der Mehrheit
Benoît Hamon mag kein Beau sein, kein Redegenie, kein gewiefter Taktiker. Aber er hat Überzeugungen: Der Präsidentschaftskandidat von Frankreichs Sozialisten will ein Grundeinkommen von monatlich 750 Euro für alle Franzosen. Er will die gesetzliche Arbeitszeit auf 32 Stunden reduzieren, um Jobs zu schaffen. Er will François Hollandes Arbeitsrecht wieder abschaffen, Roboter besteuern, Dieselmotoren verbieten; dafür aber Cannabis legalisieren, Flüchtlingen eine Arbeitsbewilligung geben und die „Wahlmonarchie“der Fünften Republik durch eine soziale und ökologische Verfassung ersetzen.
Viele Ökonomen halten Hamons Vorschläge für unrealisierbar – allein die Idee zum Grundeinkommen würde so viel kosten wie das Jahresbudget Frankreichs. Der 49-jährige Linkssozialist kontert, alles sei möglich, wenn man Steuerflucht und Steuernischen effektiv bekämpfe. Um seinen neuen Ansatz zu unterstreichen, zitiert er den Philosophen Tocqueville: „Jede Generation ist ein neues Volk.“
Ganz so neu ist Hamon mitnichten in der Politik, obwohl ihn viele Franzosen erst jetzt in der Primärwahl der Sozialisten entdeckt haben. Schon 1993 leitete er die Jungsozialisten, dann wurde er Europaparlamentarier, Parteisprecher, dann ihr Abgeordneter, unter Hollande schließlich Minister – bis er wegen seiner Opposition gegen das Arbeitsrecht 2014 entlassen wurde.
Hamon ist aber auch kein Karrierist – und das spüren die Franzosen. Sie, die sich gern ernst und wichtig nehmen, schmunzeln über Hamons Schalk. Als er vor Jahren in einem politischen Wellental landete, witzelte er per Twitter über sich: „Während die Sozialisten beim Verbot der Ämterkumulation Fortschritte machen, habe ich das letzte Stadium des Kumulationsverbots erreicht: Ich habe überhaupt kein Mandat mehr.“
Jetzt hat er den wichtigsten Auftrag seiner Partei: Er soll Präsident werden und den Sieg der Rechten verhindern. Mit seinen linken Ideen scheint er jedoch kaum mehrheitsfähig zu sein. Wird er sie anpassen, um siegen zu können? Kaum: Hamon ist ein Überzeugungstäter.
Seine Gegner schimpfen den gebürtigen Bretonen einen Pariser „Bobo“, weil seine katalanisch-dänische Frau Gabrielle Guallar, mit der er zwei Kinder hat, einen Kaderposten beim Luxusgüterkonzern LVMH besetzt. Hamon geht gar nicht darauf ein: Er hält seine Familie eisern aus den Medien raus. Er mag keine Promis, er mag das Volk.