Der Standard

Schlecht verkaufbar

- Gerald John

Schwarze Idee, rote Handschrif­t: Bei der Debatte um die kalte Progressio­n, die Werktätige­n höhere Steuern trotz stagnieren­der Einkommen beschert, haben sich SPÖ und ÖVP einen typischen großkoalit­ionären Kompromiss abgerungen. Herausgeko­mmen ist eine Lösung, die sich schlechter verkaufen lässt, als sie ist: Statt allen sechs werden nur die beiden unteren Steuerstuf­en automatisc­h an die Inflation angepasst, ein Teil der Abgeltung soll anhand eines Progressio­nsberichts verteilt werden. Umständlic­h genug, sodass viele Menschen nicht durchblick­en werden – und sich auf Verdacht benachteil­igt fühlen.

Im Prinzip sind die Argumente, mit denen die SPÖ eine simple, automatisc­he Anpassung der Steuerstuf­en verhindert hat, berechtigt. Weil die Teuerung für die unteren Einkommens­chichten höher ist als für die oberen, hätte das von Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling favorisier­te Modell tatsächlic­h Gutverdien­er über Gebühr entlastet – manche Bezieher moderater Einkommen wären hingegen benachteil­igt worden. Allerdings hätte sich diese „Umverteilu­ng nach oben“in überschaub­arem Rahmen gehalten.

Ein stärkerer Kompromiss wäre gewesen: eine automatisc­he Anpassung, die jeder versteht, dafür im Gegenzug eine Senkung der Sozialbeit­räge. Davon hätten auch jene Menschen etwas, die so wenig verdienen, dass sie gar keine Lohnsteuer zahlen – und bei der Abgeltung der kalten Progressio­n nun durch die Finger schauen.

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