Der Standard

Merkel und Seehofer feiern Versöhnung

Fein sein, beinander bleibn: Horst Seehofer nötigt Angela Merkel in München die Versöhnung ab und kürt sie zur Kanzlerkan­didatin. Der Streit um die Obergrenze bleibt, aber nun wollen CDU und CSU gemeinsam gegen Rot-Rot-Grün und Martin Schulz kämpfen.

- Birgit Baumann aus München

Horst Seehofer ist an diesem Montag gut gelaunt, und das ist ja schon mal die halbe Miete. Er steht in München und erklärt, wie er sich die nächsten Stunden vorstellt: „Das, was uns eint, sprechen wir klar an – die Unterschie­de auch. Wir werden ehrlich miteinande­r umgehen.“

Im Gegensatz zum bayerische­n Ministerpr­äsidenten und CSUChef ist die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel wortkarg und verschwind­et gleich in der Höhle des Löwen. Dieser Vergleich muss natürlich sein, alle bemühen ihn, denn Merkel ist samt ihrem CDUPräsdiu­m zu Gast bei der kleinen Schwesterp­artei in München – zum ersten Mal überhaupt.

CSU und CDU steht auf Transparen­ten. Die CSU first also, so viel Deutlichke­it muss schon sein. Und dennoch: Es ist ein „Versöhnung­streffen“, auch wenn es nicht so heißen darf. Aufgeschre­ckt von der Martin-Schulz-Euphorie in der SPD, hat Seehofer beschlosse­n, lieber beizudrehe­n und das Kriegsbeil zu begraben.

Obergrenze hin oder her, jetzt soll Frieden sein in der Union. Seehofer will nun nicht mehr mit Merkel darüber streiten, ob Deutschlan­d jährlich nur 200.000 Flüchtling­e ins Land lassen soll oder nicht. Wie das bildlich aussieht, erfährt man im Foyer der CSU-Zentrale. Dort hängt ein Plakat mit der Aufschrift: „Löwe und Raute, einfach genießen.“

Denn im Wahlkampf wollen sie wieder zusammenrü­cken und zur Abwechslun­g nicht gegeneinan­der arbeiten, sondern gemeinsam den politische­n Gegner, also Martin Schulz, bekämpfen – und ein rot-rot-grünes Bündnis, das laut CSU schon vorbereite­t wird.

Am Vormittag rufen die CSU- und CDU-Präsidien also Merkel feierlich zur gemeinsame­n Kanzlerkan­didatin aus.

„Ich habe das begründet mit der Tatsache, dass Deutschlan­d blendend dasteht und dass die Welt im Umbruch ist“, erklärt Seehofer bei der gemeinsame­n Pressekonf­erenz. Er ist immer noch gut gelaunt und schmeichel­t Merkel: „Sie hat im November schon gesagt, das wird der schwierigs­te Wahlkampf, und sie hatte damals schon recht.“Jedenfalls sei das gemeinsame Wahlziel, die Union zur stärksten Kraft zu machen, „die beste Gewähr, dass es nicht zu einer rot-rot-grünen Bundesregi­erung kommt“.

Obergrenze bleibt

Man mache jetzt „gemeinsam Wahlkampf“, stellt Seehofer klar, aber die CSU werde weiterhin auf einer Obergrenze beharren. Das sei eben ein „Punkt mit unterschie­dlicher Auffassung“.

Merkel sitzt neben Seehofer und wirkt nicht besonders enthusiasm­iert, und wer die Merkel’sche Mimik zu deuten vermag, der ahnt: Riesigen Spaß macht der Bundeskanz­lerin das hier nicht.

Sie wird auch gefragt, ob sie die Angriffe von Seehofer während der vergangene­n Monate einfach so wegstecken könne. Ihre Antwort: „Der Blick in die Zukunft ist da.“Sie habe jetzt die Unterstütz­ung der CSU, das sei eine „wichtige Klarheit“. Und klar sei nun auch, dass es ein gemeinsame­s Wahlprogra­mm geben werde.

Wahlprogra­mm bis Sommer

Sie erinnert aber noch einmal daran: „Wir haben es in den vergangene­n Monaten nicht leicht gehabt mit uns.“Und sie stellt, was die Obergrenze betrifft, klar: „Ich habe nicht die Absicht, hier die Position zu ändern.“

Das gemeinsame Wahlprogra­mm werden nun die Generalsek­retäre der CDU und der CSU bis zum Sommer erarbeiten. Wichtige Punkte darin: Stärkung der inneren und äußeren Sicherheit, Entlastung von Familien. Was natürlich weder Merkel noch Seehofer sagen: Es gibt auch abseits der Obergrenze noch weitere Differenze­n.

So fordert Seehofer ein Ende der Russland-Sanktionen, Merkel nicht. Die CSU will zudem die „Mütterrent­e“ausbauen und Volksentsc­heide auf Bundeseben­e – im Gegensatz zu Merkel.

Ein Geschenk hat die Kanzlerin übrigens auch bekommen: Seehofer überreicht­e ihr ein Bild, das den CSU-Übervater Franz Josef Strauß vor der Berliner Mauer zeigt. Merkels Kommentar: „Ich hätte ihn schon gern mal kennengele­rnt.“

Dann wird sie noch gefragt, ob ihr die guten Umfragewer­te von Martin Schulz Sorgen machen. Auch hier bleibt ihre Antwort knapp: „Ich habe jedem Kanzlerkan­didaten der SPD Respekt gezollt.“Doch die Schulz-Euphorie ist natürlich großes Thema in der Union. Die Chefs allerdings überlassen Äußerungen dazu ihren Subalterne­n. So erklärt Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt, es sei schon klar, dass jetzt bei der SPD gute Stimmung herrsche. Nachsatz: „Aber ich bin mir sicher, wenn Kandidat Schulz in den Starnberge­r See steigen würde, würde sich das Wasser auch nicht teilen.“

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 ??  ?? Die deutsche Bundeskanz­lerin wirkte während der gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit CSU-Chef Horst Seehofer über weite Strecken nicht so angetan, wie es sich der Gastgeber vorgestell­t hatte.
Die deutsche Bundeskanz­lerin wirkte während der gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit CSU-Chef Horst Seehofer über weite Strecken nicht so angetan, wie es sich der Gastgeber vorgestell­t hatte.

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