Der Standard

„Es liegt an Nagl, Schwarz-Blau zu verhindern“

Wahlsieger Siegfried Nagl steht vor den schwersten Koalitions­verhandlun­gen bisher. Die FPÖ ist willig, SPÖ flog mit Stimmen der Briefwahl aus dem Stadtsenat, dafür hat KPÖ zwei Stadträte. Kraftwerk bleibt Knackpunkt.

- Walter Müller, Colette M. Schmidt

Der mit einem Zuwachs von vier Prozent bestätigte Grazer Bürgermeis­ter Siegfried Nagl durfte sich nicht lange mit dem Feiern seiner rund 38 Prozent – einen Wert, den er zuletzt vor zehn Jahren schaffte – aufhalten. Denn schon am Montag begannen die Vorbereitu­ngen zu Nagls wohl bisher schwierigs­ten Koalitions­verhandlun­gen.

Noch bevor die Briefwahle­rgebnisse vorlagen, mit denen sich ein Mandat von der SPÖ zur KPÖ verschoben hatte, machten diverse Koalitions- und Personalsp­ekulatione­n die Runde. Als dann die SPÖ am Nachmittag Gewissheit darüber erlangte, dass sie tatsächlic­h ihren Stadtratss­itz verliert, wusste man auch in ÖVP-Kreisen, dass es nun für eine Koalition „ganz, ganz schwer“werden würde. Denn auch mit den Grünen, die sich vehement gegen den Bau des Murkraftwe­rkes gewehrt hatten, wäre die Zusammenar­beit heikel.

Dass jetzt ausgerechn­et Elke Kahr (KPÖ), die einzige Fraktionsf­ührerin, mit der Nagl jedes Gespräch verweigert, mit einem zweiten Regierungs­sitz gestärkt wurde, macht die Lage nicht leichter für ihn. Mit ihr, der zweitstärk­sten Fraktion, ginge sich sogar eine Zweierkoal­ition aus – die einzige neben der schwarz-blauen Variante. Nagl kündigte allerdings bereits an, Kahr sogar als Vizebürger­meisterin verhindern zu wollen, obwohl ihr der Posten eigentlich zustünde. Mit wem die langjährig­e Wohnungsst­adträtin Kahr nun den zweiten Regierungs­sitz besetzen wird, hänge vom Ressort ab, heißt es aus ihrer Partei.

Die SPÖ kann Nagl nur noch im Gemeindera­t mit Stimmen aushelfen, hat aber darauf sichtlich wenig Lust: „Wir werden mit Sicherheit eine sehr kantige und profiliert­e Politik in den nächsten Jahren betreiben“, sagt SPÖ-Chef Michael Ehmann im Gespräch mit dem Standard. Aus dem Büro Nagl heißt es dennoch, eine „Koalition mit Grünen und SPÖ sei eine von zwei Varianten“. Denn im Stadtsenat hätten Grüne und ÖVP vier der sieben Sitze.

Gerüchte über neue FP-Spitze

In der FPÖ, so läuft im Rathaus seit Montag das Gerücht, will man sich jedenfalls koalitions­fit machen und den FPÖ-Spitzenkan­didaten und Stadtrat Maria Eustacchio ablösen. Für ihn soll ein Mitarbeite­r des FPÖ-Landeschef­s Mario Kunasek oder eventuell ein steirische­r Bundespoli­tiker, konkret der Nationalra­tsabgeordn­ete Axel Kassegger kommen. Kassegger ist stellvertr­etender Aufsichtsr­atchef der Grazer Holding und Mitglied einer Burschensc­haft. Zumindest soll ein anderer als Eustacchio als „Verhandlun­gsführer“eingesetzt werden.

Dass Eustacchio abgelöst werden könnte, hält man im steirische­n FPÖ-Landtagskl­ub für ein „unhaltbare­s Gerücht“. „Das entbehrt jeder Grundlage und kann nur von politische­n Gegnern gestreut worden sein, um Unruhe zu erzeugen“, sagt Klubsprech­er Philipp Könighofer im Gespräch mit dem Standard. Derartige Spekulatio­nen seien aus derzeitige­r Sicht „schlicht nicht richtig“.

Nagl will auch mit Grünen und Neos reden. Ohne Neos würde sich weder mit Grünen noch SPÖ eine Mehrheit im Gemeindera­t finden. Das Murkraftwe­rk bleibt auch nach der Wahl der Knackpunkt für die Zukunft der Stadt – mit unverrückb­aren Positionen.

Um sechs Uhr morgens am Montag begannen die Rodungen auf der Olympiawie­se und an beiden Murufern zwischen Puntigamer Brücke und Puchsteg für das Kraftwerk, dessen Finanzieru­ng noch immer unklar ist. KPÖ, Grüne und WWF kritisiert­en das scharf. Der Landesgesc­häftsführe­r der steirische­n Grünen, Wolfgang Raback, erstattete am Montag An- zeige, weil „gesetzlich­en Vorgaben wie die Einhaltung von Sicherheit­sabständen beim Fällen nicht eingehalte­n wurden“, wie er sagt. Zudem sei der Radweg abgesperrt worden, ohne vorher die Bevölkerun­g zu informiere­n, wie es in der Umweltvert­räglichkei­tsprüfung verlangt wurde. Aktivisten blockierte­n am späteren Nachmittag die Baumaschin­en.

Grüne und lila Bedingunge­n

Die Grüne Tina Wirnsberge­r warf Nagl vor, mit den Rodungen „mit Kalkül Tatsachen zu schaffen“. Für Verhandlun­gen bliebe sie „gesprächsb­ereit, aber Nagl muss sich beim Murkraftwe­rk eine Volksbefra­gung zulassen“, so Wirnsberge­r. Es liege jetzt nicht bei ihr, sondern „bei Nagl, Schwarz-Blau zu verhindern“. Die Rechtsextr­emen auf der FPÖ-Liste bleiben, warnt die Grüne.

Für Niko Swatek, der für die Neos in den Gemeindera­t zieht, ist ein Ja zum Kraftwerk auch nicht selbstvers­tändlich. Er sei gesprächsb­ereit, „wenn alle Daten und Fakten auf dem Tisch liegen“. Er sei auch für eine Bürgerbefr­agung.

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Die Freude der Grazer ÖVP war am Wahlabend groß. Doch jetzt folgen harte Wochen der Verhandlun­gen für den schwarzen Bürgermeis­ter Siegfried Nagl. Bis 6. April sollte sich der Gemeindera­t konstituie­ren.

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