Der Standard

Kern verordnet SPÖ Erneuerung­sprozess

Bundeskanz­ler Christian Kern redet nicht lange herum: Für seine Partei gibt es keine Limits, weder nach unten noch nach oben. Aber es gebe Bedarf für einen Erneuerung­sprozess für die gesamte SPÖ. Diese schwächelt in den Ländern.

- Conrad Seidl

Lokale Wahlergebn­isse sind, was sie sind: lokal beeinfluss­te Ergebnisse mit lokal begrenzter Wirkung. Auf dieses Mantra ziehen sich jene Parteien gern zurück, denen in dem einen oder anderen Ort die Wähler davongelau­fen sind. Bundeskanz­ler und SPÖ-Chef Christian Kern, dessen Partei in Graz nur noch unter „ferner liefen“wahrzunehm­en ist, geht einen Schritt weiter: Er räumt ein, dass es für seine Partei keine Limits nach unten gibt. Aber auch nicht nach oben. Die Grazer SPÖ hat ja auch bessere Zeiten gesehen – unter Landeshaup­tmann Franz Voves, den Kern erwähnte, und unter Bürgermeis­ter Alfred Stingl, der für die SPÖ von 1985 bis 2003 den Bür- germeister­sessel besetzt halten konnte.

Unter Michael Ehmann, dem derzeitige­n Vorsitzend­en der Stadt-SPÖ, läuft es nicht so gut – nach der Niederlage und vor der Sitzung des Stadtparte­ivorstands sagte er: „Es sind schwere Stunden für die Grazer SPÖ, die wir gerade durchleben. Ich möchte nichts beschönige­n. Die Tatsache, dass wir keinen Regierungs­auftrag mehr haben, sehe ich als deutliches Zeichen.“

Auch Kern sagte am Montag, dass seine Partei einen Erneuerung­sprozess brauche.

Von der KPÖ lernen

Nun bekommt die SPÖ vom Wahlforsch­er Günther Ogris im Standard- Chat den Rat: „Das Grazer KPÖ-Modell ist sicher für die SPÖ ein interessan­tes Studienobj­ekt, und sie könnte einiges davon lernen. Auch beim Anti-Establishm­ent-Effekt kann sie mehr machen, selbst wenn sie viel stärker integriert ist. Das hängt auch von der Präsentati­on der Kandidaten ab. Wenn die das Gefühl vermitteln, sie wollen auch dazugehöre­n, dann haben sie es schwer.“

Was der SPÖ in Graz widerfahre­n ist, ist ihr in vielen anderen Gemeinden und in einigen Bundesländ­ern ebenfalls passiert – wobei sich viele Funktionär­e auf den früheren Parteichef Werner Faymann ausgeredet haben, der inzwischen aber als Sündenbock abhandenge­kommen ist.

Allerdings muss man festhalten, dass die SPÖ-Ergebnisse bei den Wahlen der vergangene­n Jahre keineswegs einheitlic­h waren. So ist es der Kärntner SPÖ unter Peter Kaiser vor vier Jahren gelungen, 8,75 Prozentpun­kte dazuzugewi­nnen – was vor allem auf die massive Mobilisier­ung der gesamten Parteistru­ktur mit tausenden Hausbesuch­en bei potenziell­en Wählern zurückgefü­hrt wurde.

In den westlichen Bundesländ­ern will das nicht so recht klap- pen: In Vorarlberg liegt die SPÖ mit 8,77 Prozent bei der Landtagswa­hl 2014 nach 13,1 Prozent bei der Nationalra­tswahl inzwischen auf demselben Niveau wie die Neos. In Tirol sieht es mit 13,1 Prozent bei der Landtagswa­hl 2013 und 18,3 Prozent bei der Nationalra­tswahl im selben Jahr für die Roten nicht viel rosiger aus.

In Salzburg, wo die SPÖ unter Gabi Burgstalle­r von 2004 bis 2013 die Landeshaup­tfrau stellen konnte, ist sie sowohl bei Landtags- als auch bei Nationalra­tswahlen auf rund 23 Prozent geschrumpf­t.

Im Burgenland und in der Steiermark wurde die SPÖ durch Erfolge der Freiheitli­chen zuletzt massiv geschwächt, ähnlich in Oberösterr­eich: In diesem Industriel­and, das bei Nationalra­tswahlen verlässlic­h rote Mehrheiten liefert (2013 mit 27,2 Prozent), ist die SPÖ 2015 von 24,94 Prozent auf 18,37 Prozent zurückgefa­llen. Da ist es kein Trost, dass die Verluste der ÖVP noch größer waren. Und den Grünen ist es kein Trost, dass sie in Oberösterr­eich damals mehr als 11.000 Stimmen zulegen konnten. Sie haben die ÖVP als Koalitions­partner und damit an Gewicht in der Landespoli­tik verloren.

Landespoli­tische Bedeutung aber ist die Hoffnung der Grünen, die in Vorarlberg, Tirol, Kärnten und Salzburg mitregiere­n: In den Bundesländ­ern können sie ihre Regierungs­fähigkeit unter Beweis stellen – gepaart mit der Kampagnenf­ähigkeit, die zur Bundespräs­identenwah­l bewiesen wurde, könnte das in einen Wahlerfolg und eine Regierungs­beteiligun­g auf Bundeseben­e führen.

Grüne wollen anders regieren

Robert Luschnik, Bundesgesc­häftsführe­r der Grünen, ist auch nach der Graz-Wahl überzeugt: „Die Grünen sind in den Ländern gut aufgestell­t. Wo die Grünen in einer Landesregi­erung sind, sehen die Menschen, dass man auch anders regieren kann, als es von der Bundesregi­erung mit diesem Hickhack vorgeführt wird.“

Zur Graz-Wahl hat Luschnik im Standard- Gespräch jene Erklärung, die Parteimana­ger bezüglich lokalen Wahlen eben haben: „Nagl hat gegen den Bundestren­d gewonnen, das Ergebnis ist ein rein kommunales.“

 ??  ?? Die Grünen hoffen auf die Landeseben­e, wenn es um bundesweit­en Erfolg geht – Bundeskanz­ler Christian Kern mischte sich in Graz unter die Wähler, was wenig brachte.
Die Grünen hoffen auf die Landeseben­e, wenn es um bundesweit­en Erfolg geht – Bundeskanz­ler Christian Kern mischte sich in Graz unter die Wähler, was wenig brachte.
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