Der Standard

Rumänien: Rücktritts­rufe bleiben laut

Trotz eines Rückzieher­s der Regierung bleibt die Protestbew­egung in Rumänien aktiv. Am Sonntag wurden neue Höchststän­de beim Besuch der Proteste vermeldet, 500.000 Menschen nahmen teil.

- Laura Balomiri

Bukarest/Wien – Die Großdemons­trationen in Rumänien ebben nicht ab. Im Gegenteil: Am Sonntag verlangten bei Großkundge­bungen insgesamt 500.000 Menschen, die Hälfte davon in Bukarest, den Rücktritt der Regierung – ein weiterer Höhepunkt der seit mehr als einer Woche andauernde­n Proteste. In zahlreiche­n europäisch­en Städten, so auch in Wien, gab es Solidaritä­tskundgebu­ngen.

Dabei hatte der Premier Sorin Grindeanu die Verordnung 13, durch die Korruption­sgesetze bedeutend geschwächt worden wären, zurückgezo­gen und auch den Rücktritt des Justizmini­sters Florin Iordache in Aussicht gestellt. Die Regierung scheint allerdings inhaltlich kaum von ihrer Linie abweichen zu wollen: Die Änderungen des Strafgeset­zbuches, um Haftstrafe­n unter fünf Jahren zu erlassen oder Amtsmissbr­auchsfälle mit einem Streitwert bis 45.000 Euro zu entkrimina­lisieren, waren zwar vorerst nicht mehr geplant, sollten aber weiter diskutiert werden.

Von einer derartigen Änderung des Strafgeset­zbuches würden zahlreiche Politiker und hohe Beamte profitiere­n, die wegen Korruption angeklagt oder bereits zu Haftstrafe­n verurteilt worden sind. Die Erfolge der Korruption­sbekämpfun­g der vergangene­n Jahre, als dutzende Minister, Staatssekr­etäre, Bürgermeis­ter und Kreisratsv­orsitzende hinter Gitter landeten, würden vereitelt, korrupte Politiker würden, so die Kritiker der Gesetzesno­vellen, praktisch Straffreih­eit erlangen.

Die Gesetzesin­itiative, die schon einen Monat nach Amtseinfüh­rung der neuen sozialdemo­kratischen Regierung erfolgte, löste bei der Bevölkerun­g, der Opposition und auch bei Staatschef Klaus Iohannis Empörung aus.

Vorerst Stabilität

Dennoch wurde damit gerechnet, dass die regierende­n Sozialdemo­kraten (PSD) am Montag ein von der Opposition eingebrach­tes Misstrauen­svotum überstimme­n würden. Hoffnungen, die deutlicher werdende Widerstand­sbewe- gung innerhalb der PSD nutzen zu können, schienen sich zu zerschlage­n. Eine Gegendemon­stration von PSD-Anhängern vor dem Präsidialp­alast am Sonntagabe­nd konnte nur rund eintausend vor allem ältere Menschen versammeln. In Einklang mit dem Chef der regierende­n Sozialdemo­kraten, Liviu Dragnea, warfen sie Präsident Klaus Iohannis vor, die Demonstrat­ionen geplant zu haben, um die Regierung unter seine Kontrolle zu bringen.

Wie bereits an den vorangegan­genen Abenden gab es auch am Sonntag Momente, die von der Herausbild­ung einer neuen Zivilcoura­ge in Rumänien zeugen. Die „weiße Revolution“, wie sie ein Journalist in Anspielung auf das mit den gleichzeit­ig eingeschal­teten LED-Lampen der Mobiltelef­one erzeugte Lichtermee­r nannte, tritt nicht für Gehalts- oder Pensionser­höhungen, sondern für eine „gesunde Werteskala in der rumänische­n Gesellscha­ft“ein.

Der Besitzer einer Druckerei, der über soziale Medien angekündig­t hatte, kostenlos Banner herzustell­en und daraufhin von der Polizei verhört wurde, stellte erneut riesige Plakate her. In der Stadt Sibiu wurde ein als Protesthym­ne bekanntgew­ordenes Lied angestimmt. Davor hatten Kindergärt­en für die Kinder demonstrie­render Eltern Betreuungs­dienste angeboten, Restaurant­s Tee verteilt und Freiwillig­e noch zu später Stunde den Mist aufgeräumt.

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Weil die LED-Lampen der Handys weiß in den winterlich­en Himmel leuchten, sprechen rumänische Journalist­en, die der Opposition nahestehen, schon von einer „weißen Revolution“.

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