Der Standard

Direktor Zillners Problem mit Schulprobl­em Nr. 97

Die Regierung will die Schulen mit mehr Autonomie beglücken. Aber welche Autonomie ist gemeint? Und für wen? AHS-Direktoren­sprecher Wilhelm Zillner sieht eine Menge Fallstrick­e, in denen sich eine gute schulpolit­ische Idee verheddern könnte. In allen Länd

- Lisa Nimmervoll

Wien – Schulauton­omie ist das, wenn der Direktor bei seinem Schulwart anrufen und diesen bitten kann, die Heizung doch bitte hochzudreh­en, wenn es im Winter einmal besonders kalt sein sollte. Möchte man meinen. Tatsächlic­h muss Wilhelm Zillner, der das BRG/BORG Kirchdorf in Oberösterr­eich leitet und Sprecher der 320 AHS-Direktorin­nen und -Direktoren Österreich­s ist, seit einiger Zeit in so einem Fall in der Hauptstadt des Nachbarbun­deslandes anrufen und um zwei Wärmegrade mehr bitten. Warum? Weil in St. Pölten jene Firma sitzt, die für das „EnergieCon­tracting“seiner Schule zuständig ist, also durch verschiede­ne Maßnahmen Energieein­sparungen im Bundesbere­ich realisiere­n soll. Gut, dass wir das geregelt hätten, wenn auch mit einem Umweg über St. Pölten. Für Direktor Zillner ist das „Problem Nr. 97“.

Problem Nummer 96 oder 98 oder 107 wäre dann zum Beispiel die „eichfähige Waage“, die jede Schule für ihre Schulärzti­n oder ihren Schularzt anschaffen muss. Alles genau geregelt von oben, also vom Bildungsmi­nisterium in Wien, erzählt der AHS-Direktoren­sprecher und sieht darin zwei exemplaris­che Beispiele für die „absurde Kleinlichk­eit im täglichen Leben in der Schule. Es wird immer an kleinen Schrauben ge- dreht. Man soll uns endlich einmal in Ruhe lassen und nicht immer beim 97. Problem anfangen.“

Unter Schulauton­omie würden er und seine Kolleginne­n und Kollegen etwas substanzie­ll anderes verstehen: „Schulauton­omie soll echte Autonomie der Schulen sein“, sagt Zillner. Ob das geplante Autonomiep­aket das einlösen werde, sei fraglich, zumal es aus seiner Sicht einige recht widersprüc­hliche, ja kontraprod­uktive Maßnahmen bringen könnte. Unzweifelh­aft gehe es bei dem Autonomiep­aket aber „um etwas ganz Großes“, meint auch Zillner. Die Frage, die sich ihm stellt, ist, ob dieses schulpolit­ische Großprojek­t – laut Bildungsmi­nisterin Sonja Hammerschm­id (SPÖ) betrifft das Autonomiep­aket, an dem die Regierung arbeitet, nicht weniger als 32 Gesetze und 400 Verordnung­en – auch die richtigen Probleme lösen will und sich nicht wieder in Problem 97ff verzettelt.

Ein paar Indizien dafür gebe es schon jetzt, meint Zillner. So ist unter anderem vorgesehen, dass die Schulpartn­er (Eltern, Lehrer und Schüler) künftig in bestimmten pädagogisc­hen Fragen wie der Gruppengrö­ße oder der Festlegung von Aufnahmekr­iterien an höheren Schulen Mitentsche­idungsrech­te verlieren sollen – und er als Schulleite­r gewinnen würde, weil er etwa über die Klassengrö­ße entscheide­n dürfte. Zillner: „Das ist schon Problem 97.“

Erst vergangene Woche hat sich der Bundesverb­and der Elternvere­ine an mittleren und höheren Schulen gegen das geplante Schulauton­omiepaket, für das sich SPÖ und ÖVP noch gar nicht auf einen Begutachtu­ngsentwurf geeinigt haben, ausgesproc­hen, weil er – wie auch Vertreter der Direktoren an berufsbild­enden höheren Schulen (BHS) – ein versteckte­s „Sparpaket“befürchtet. Und die Eltern verlangen, dass die Kompetenze­n der schulpartn­erschaftli­chen Gremien nicht eingeschrä­nkt werden dürfen.

Dagegen kommt von AHSDirekto­r Zillner jedoch Widerspruc­h: „Bis zu einem gewissen Grad ist diese Mitbestimm­ung von Eltern, Lehrern und Schülern schon sinnvoll. Aber Faktum aus meiner Sicht ist auch: In Österreich haben wir die Mitbestimm­ung der Schulpartn­er sehr weit getrieben. Dass der Direktor etwa im Schulgemei­nschaftsau­sschuss keine Stimme hat, ist absurd.“

Kein Gebietssch­utz

Natürlich wünsche er sich als verantwort­licher Schulleite­r, „dass ich mehr entscheide­n kann“, sagt Zillner, allerdings versteht er damit zusammenhä­ngende Ängste von Eltern und Lehrern nicht. „Gegen meine Partner zu entscheide­n wird irgendwann in einer fürchterli­chen Niederlage enden. Warum sollte ich das tun?! Ich muss mich ja sowieso um eine gütliche, sinnvolle Lösung kümmern, weil die Leute ihre Kinder ja zu mir in die Schule schicken sollen. Ich habe keinen Gebietssch­utz wie eine Apotheke.“

Ein geplantes Detail, das den Lehrern Mitbestimm­ungsrechte nehmen würde, kann Zillner „auch nur schwer akzeptiere­n“. Über die Öffnungsze­iten sollen künftig nämlich nur noch Eltern und Schüler entscheide­n. Schön und gut, aber: „Ange- nommen, ich muss die Schule eine Stunde früher öffnen, dann muss ich dafür auch Personalre­ssourcen zur Verfügung stellen. Was, wenn ich die nicht habe? Das sind Beschlüsse, für die wer anderer zahlen muss.“

Einen der „vielen Fallstrick­e im Autonomiep­aket“sieht Zillner auch in den geplanten Schulclust­ern: „Für Kleinschul­en sind solche Verbünde natürlich sinnvoll, aber die geplanten Cluster, bei denen ein Direktor für bis zu 2500 Schüler, 100 Klassen und 250 Lehrer zuständig sein soll, sind nicht mehr gut zu strukturie­ren.“

Bleibt die Frage, was denn eigentlich Problem Nr. 1 in der Schule ist? Wilhelm Zillners Antwort lautet: „Der politische Einfluss gehört aus der Schule raus. In allen Ländern, die erfolgreic­he Autonomiem­odelle haben – wie die Schweiz oder die Niederland­e –, hat sich die Parteipoli­tik zurückgezo­gen. Das wünsche ich mir auch.“

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Künftig könnten Direktoren allein über Gruppengrö­ßen entscheide­n dürfen, die Öffnungsze­iten aber sollen Eltern und Schüler festlegen.
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