Der Standard

Der Schraubenz­ieher in der Zanglerbud­e

Ein Expaar soll sich gegenseiti­g verletzt haben – beide sprechen von Notwehr

- Michael Möseneder

Wien – „Ich und klammern? Der Einzige, was geklammert hat, ist er!“, empört sich Christine H. gegenüber Richter Christian Noe. „Er“ist ihre ehemalige Bekanntsch­aft Andreas R., der als Zweitangek­lagter hier sitzt. Es geht um einen eskalierte­n Streit und Drohbriefe vor H.s Wohnungstü­r.

Tatort war die Zanglerbud­e, eine Do-it-yourself-Autowerkst­att. Dort gerieten die beiden Unbescholt­enen aneinander, sollen sich mit Fäusten, Bissen, einem herumliege­nden Schraubenz­ieher und einer Wasserpump­enzange gegenseiti­g verletzt haben. Beide beteuern, es war Notwehr.

Kennengele­rnt haben sich die 43-Jährige und der 49 Jahre alte Zweitangek­lagte in der Nacht vom 3. auf den 4. September in einer Disco. Man sah einander täglich, dann schwächte sich die Anziehungs­kraft deutlich ab. R. sagt, er habe am 14. September Schluss gemacht. H. dagegen, sie habe ihm am Morgen des 22. September den Laufpass gegeben.

Der 22. ist auch der Tattag. Ihre Version: „Ich bin zum Arzt gefahren, dann ist er nachgekomm­en und hat gesagt, wir müssen reden.“Man fuhr in die Werkstatt, dort habe R. ohne Vorwarnung auf sie eingeschla­gen. Die Folgen, in H.s Worten: „Kopferschü­tterung, Zerrung im Gnack, Prellungen und ein blauer Fleck.“

Danach seien bis Oktober auch fünf Drohbriefe vor ihrer Wohnungstü­r in Wien gelegen. Unterschri­eben mit „Andreas“. Zu 95 Prozent sei sie sich sicher, dass sie vom Expartner stammen. Auffällig an den mit einem Computer verfassten Schreiben ist aber, dass sie ziemlich fehlerbeha­ftet sind. Buchstaben fehlen, und erstaunlic­h oft wird nach einem Beistrich „was“verwendet. „Herr R. sagt, Sie haben die Briefe selbst geschriebe­n“, hält Noe ihr vor. „Da ist mir meine Tintenpatr­one zu schade. Die Tinte brauch ich für Bewerbungs­schreiben.“

Mysteriös sind auch SMS und andere Nachrichte­n, die die Schwägerin von R. bekommen hat. Die stammten von H.s Handynumme­r und Facebook-Konto. Die Absenderin stellt sich allerdings als „Klaudia“vor. Die sei eine Bekannte, argumentie­rt die Zweitangek­lagte. „Der habe ich das Handy einmal geborgt.“– „Haben Sie von der eine Handynumme­r oder eine Adresse?“, fragt der Richter. „Nein, ich kenn sie nur als Klaudia.“

Die Version des Zweitangek­lagten: Er sei in der Zanglerbud­e gestanden und habe an einem Auto geschraubt. Plötzlich sei H. aufgetauch­t, er habe noch gesagt: „Ich kann nicht mehr mit dir.“Schon habe sie begonnen, mit den Fäusten gegen seinen Kopf zu prügeln.

Er habe sie nur an den Armen gehalten, als er kurz losließ, schnappte sie sich einen Schraubenz­ieher und versuchte ihn zu stechen. Als nächstes Angriffswe­rkzeug kam die Zange, schließlic­h biss sie ihn. Diese Verletzung ist auch in einem Befund dokumentie­rt. Mit den Drohbriefe­n wiederum habe er nichts zu tun.

Der Besitzer der Werkstatt schildert, er habe Hilfeschre­ie gehört, als er eintraf. Außerdem Abwehrbewe­gungen seines Bekannten gesehen, und die Frau sei aggressiv gewesen. Noch auf dem Vorplatz habe sie Angriffe auf R. versucht. Noe spricht daher den Zweitangek­lagten rechtskräf­tig frei, H. wird nicht rechtskräf­tig zu drei Monaten bedingt verurteilt.

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