Der Standard

Warum ältere Arbeitslos­e so schwer einen Job finden

Höhere Kosten, ein überbewert­eter Kündigungs­schutz und eine fehlende Kultur im Umgang mit Älteren

- ANALYSE: Andreas Sator

Wien – Der fünfzigste Geburtstag wird meist mit Sekt begossen und groß gefeiert. Ein halbes Jahrhunder­t auf der Erde ist ein guter Grund dafür. Wer aber danach seinen Job verliert, dem vergeht die Feierlaune für längere Zeit. Denn danach noch eine Arbeit zu finden erfordert viel Geduld und oft auch Glück. Das zeigen zahlreiche Gespräche, die der STANDARD in den vergangene­n Tagen mit Betroffene­n geführt hat. Zig Bewerbunge­n ohne Einladung zu einem Gespräch sind keine Seltenheit. Aber warum ist das so?

Zunächst einmal ermuntert ein Blick auf die Beschäftig­tenzahlen. Es gibt so viele Menschen über 50 mit einem Job wie nie zuvor, bald dürfte die Grenze von einer Million Erwerbstät­igen überschrit­ten sein. Seit 2008 ist die Zahl um fast 50 Prozent auf 923.000 gestiegen. Die Arbeitslos­enquote ist im Vorjahr nicht mehr gestiegen, sie liegt mit 9,7 Prozent nur minimal über dem Durchschni­tt in Österreich.

In den 50. Geburtstag kann man also ruhigen Gewissens hineinfeie­rn. Viele ältere Menschen sind jahrelang im Betrieb und nehmen eine wichtige Rolle ein. Wenn sie ihren Job aber verlieren, brauchen sie oft sehr lange, um eine neue Beschäftig­ung zu finden oder sind ganz ohne Erfolg. Fast jeder zwei- te Arbeitslos­e, der über 55 ist, ist mit höchstens einer kurzen Unterbrech­ung schon mindestens ein Jahr auf Arbeitssuc­he. Sind sie für Firmen einfach zu teuer?

Das kann einen Teil erklären. „Außer in Frankreich steigen die Löhne mit dem Alter in keinem Industriel­and so stark wie bei uns“, sagt Michael Christl von der Agenda Austria, einer Denkfabrik. Eine Studie der Linzer Kepler-Universitä­t verglich einige Maschinenb­auer und fand heraus, dass vor allem dort Ältere gekündigt wurden, wo die Gehaltskur­ve sehr steil war. Eine „Frühpensio­nierung über das AMS“nennen das die Autoren der Studie.

Hohe Gehaltsein­bußen

Die höheren Kosten eignen sich aber nur eingeschrä­nkt als Erklärung. Das legt eine breitangel­egte Studie des IHS nahe, die für das Sozialmini­sterium erstellt wurde. In Branchen, in denen die Löhne mit dem Alter stark steigen, gibt es nicht mehr Arbeitslos­e als in anderen. Die Jobsuche dauert genauso lang wie in anderen Branchen.

Stark steigt die Arbeitslos­enquote dann ab 55 oder 60, einem Alter, in dem es oft keine automatisc­hen Lohnsteige­rungen mehr gibt. Wer nach vielen Jahren bei einem Betrieb seinen Job verliert, nimmt im neuen Job noch dazu oft substanzie­lle Gehaltsein­bußen in Kauf. „Die höheren Löhne und Gehälter spielen nur eine kleine Rolle bei der schwierige­n Jobsuche“, sagt Gerlinde Titelbach vom IHS.

In den Köpfen vieler Unternehme­r ist verankert, dass man ältere Arbeitnehm­er nur schwer kündigen kann. Das ist aber ein Mythos, sagt der Arbeitsrec­htler Wolfgang Mazal von der Universitä­t Wien. Wenn jemand seine Leistung nicht bringe, nicht technologi­eaffin oder anpassungs­unfähig sei oder schlicht zu teuer, könne man jeden 55-Jährigen kündigen. „Das hat vor dem Höchstgeri­cht noch immer gehalten“, sagt der Jurist. Oft würden sich Firmen bei Klagen aber auf Vergleiche einigen, damit das Kapitel beendet sei.

Die komplexe Gesetzesla­ge verunsiche­re aber viele, sagt Mazal. Er meint, dass sich in den Köpfen der Menschen etwas ändern müsse, um die Lage zu bessern. „Die Beschäftig­ung Älterer wird immer nur als notwendig, nicht als sinnstifte­nder Beitrag gesehen.“

Welche Rolle die Qualifikat­ion älterer Arbeitslos­er spiele, lasse sich nur schwer sagen, sagt Soziologin Titelbach. Firmen müssten bei der Weiterbild­ung jedenfalls früher als mit 50 ansetzen. Zentral sei es in Österreich jetzt, einen Kulturwand­el im Umgang mit Älteren zu forcieren. Früher habe man sich mit dem Thema nicht beschäftig­en müssen. „Da sind die Leute einfach in Frühpensio­n.“

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