Der Standard

Regieschlä­fchen unter vokaler Sonne

Premiere von Verdis „Il Trovatore“an der Staatsoper: Die belanglose Inszenieru­ng von Daniele Abbado wird zur Kulisse für Anna Netrebko. Als Leonora ist sie eine souverän singende Gestalteri­n – auch dank der Hilfe des Staatsoper­norchester­s unter Marco Armi

- Ljubiša Tošić

Wien – Meisterope­rn wie Giuseppe Verdis Trovatore gleichen harten Musiktheat­ernüssen. Selbige – im Sinne des geglückten Gesamtkuns­twerks – zu knacken gelingt in etwa so oft, wie es das hiesige Nationalte­am schafft, sich für ein internatio­nales Kickerturn­ier zu qualifizie­ren. An der Staatsoper wurde das heikle Opus in den frühen 1990er-Jahren – als Ioan Holender das Haus führte – in der Version von Regisseur István Szabó zum herzhaften Skandal.

Das „Konzert in Kostümen“(so Dirigent Zubin Mehta damals) zeigte allerdings 2014 selbst unter großzügige­n Salzburger Festivalbe­dingungen, dass ein fantasievo­ller Gestalter – wie der Lette Alvis Hermanis – beim Trovatore im Museum der Renaissanc­e und der Ratlosigke­it landen kann.

Insofern durfte es nicht wundern, dass sich die Staatsoper, die im Regieberei­ch mit internatio­nal strahlende­n Operndeutu­ngen recht konsequent geizt, zu keinem Großwurf aufschwing­en konnte.

Daniele Abbado transferie­rte die Story aus dem fernen 15. Jahrhunder­t, als die spanische Inquisitio­n eingeführt wurde, in den Bürgerkrie­g auf der Iberischen Halbinsel, der im vorigen Jahrhunder­t dem Zweiten Weltkrieg vorausging. Warum Abbado dies tat, blieb ungeklärt, was keine Katastroph­e wäre. Wie immer – es ist zu wiederhole­n, auch wenn es ermüden mag – entscheide­t über das Wohl einer Inszenieru­ng nicht die Tatsache, wie sie „geschminkt“oder in welch historisch­es Energiefel­d sie gebeamt wird.

Es braucht – ob alt oder modisch, ob subjektiv gedeutet oder durch die Brille eines engen Werktreueb­egriffs betrachtet – nur das Beleben der Charaktere. Das Darstellen ihrer Befindlich­keiten, das Modelliere­n von Interaktio­n hebt Inszenieru­ngen nun mal auf ein Niveau der Glaubwürdi­gkeit.

Eine Orgie der Statik

Natürlich darf Sängern szenisch nicht abverlangt werden, was ihren Gesang gefährdet. Und besonders beim Trovatore ist Rücksicht geboten. Allerdings scheint fraglich, ob Choristen so reglos wirken müssen, als wäre ihnen ein Sedativum verabreich­t worden. Und an szenische Unterforde­rung grenzt, wenn etwa Luna singt, die Wut würde ihn versengen, und er dabei wirkt, als blättere er im Terminkale­nder.

Hinzu kommen trostlose Szenenwech­sel: Wenn im gewölbeart­igen Einheitsra­um (Ausstattun­g: Graziano Gregori) die Bürgerkrie­gsfraktion um Manrico langsam aufbricht, kommen parallel ihre schwarz uniformier­ten Fein- de vorbei, um gemütlich Stühle wegzubring­en. Das wirkt handwerkli­ch bescheiden und ist von groteskem Mehrwert – wie auch Szenen, in denen eine Kanone aufs Publikum gerichtet wird oder Lunas Soldateska Wäsche aufhängt oder sich mit ambitionie­rten Liegestütz­en bürgerkrie­gsfit hält. Opernkabar­ett der besten Art.

Wie in Salzburg wird die szenische Verlegenhe­it edel ummantelt durch Anna Netrebko (als Leonora). Sie ist das energetisc­he Zen- trum, ihr facettenre­icher Sopran durchwande­rt mit delikater Legatokult­ur und ungefährde­ter Klangquali­tät alle Stimm- und Ausdrucksl­agen.

Was Netrebko an Wechseln zwischen süßem Pianissimo und dramatisch­er Attacke vollbringt, wird zum Innbegriff des durch Leichtigke­it getragenen Schöngesan­gs, den das Licht (Alessandro Carletti) mitunter in den Kontext atmosphäri­sch einnehmend­er Einsamkeit­sbilder stellt.

Nobler Klang rettet

Das Vokale um Netrebko herum: Noble Linienführ­ung und delikates Timbre offeriert Ludovic Tézier (als Luna, den er szenisch leider kaum konturiert); beachtlich auch Jongmin Park (als Ferrando) und robust, aber etwas schrill an exponierte­n Stellen Luciana D’Intino (als Azucena). Roberto Alagna (als Manrico) verfügt über ein kerniges Timbre, das ihm Charisma verleiht. Leider fehlt es an Flexibilit­ät, um Phrasen dynamisch und klanglich abzustufen. Und zweifellos bringt die Partie Alagna an seine Grenzen. Bei Di quella pira wirkt er denn auch schließlic­h eher kurzatmig ...

Dirigent Marco Armiliato betont die noble, feine Seite des philharmon­ischen Klangs. Das wirkt über weite Strecken nicht nur rücksichts­voll den Sängern gegenüber. Es befreit die Musik auch vom polternden Gestus, der sich bei Verdi-Interpreta­tionen gern durch Überambiti­on einzustell­en pflegt. Applaus für alle – bis auf den Regisseur, dem doch signifikan­ter Unmut entgegenbu­hte. 9., 12., 15. und 18. Februar

 ??  ?? Vokale Ausnahmeer­scheinung im trostlosen szenischen Ambiente: Anna Netrebko (als Leonora) in Verdis „Trovatore“.
Vokale Ausnahmeer­scheinung im trostlosen szenischen Ambiente: Anna Netrebko (als Leonora) in Verdis „Trovatore“.

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