Der Standard

„Knie dich vor mir nieder“- Spielchen

Klaustroph­obisches Beziehungs­drama: Das Innsbrucke­r Kellerthea­ter zeigt Bernhards Stück „Am Ziel“(1981), das eine unschöne Mutter-Tochter-Beziehung thematisie­rt.

- Dorothea Nikolussi-Salzer

Innsbruck – Die Mutter (Eleonore Bürcher) thront mitten auf der Bühne, ihr Lehnstuhl steht etwas erhöht auf einem Podest. Diese feine, zerbrechli­che Gestalt ist in teures Tuch gekleidet.

Das graue, wellige Haar umwölkt ihr Haupt, die Beine werden von einer Wolldecke gewärmt. So wird sie die nächste Stunde sitzen- bleiben und in einem unaufhörli­chen, sich ständig im Kreis drehenden Redefluss Unsägliche­s von sich geben.

Endlose Tiraden

Hass und Ekel speit sie gegen ihren verstorben­en Mann aus, den sie einst mittellos und als beinahe Analphabet­in ausschließ­lich wegen seines Gusswerks geehelicht hat. Erinnert sich an ihren kranken, hässli- chen Sohn, den ihr im Kleinkinde­salter zum Glück der Tod genommen hat.

Geblieben ist ihr eine mittlerwei­le in die Jahre gekommene Tochter (Bernadette Heidegger), die sie wie eine Dienstboti­n hält. Und während die Mutter sich in endlosen Tiraden ergeht, serviert die Tochter Tee und Cognac und packt die Koffer für die Abreise.

Eigener Vorteil

Das Ziel ist – wie seit Jahrzehnte­n auch – ihr Haus am Meer. Doch erstmals reisen die Damen nicht allein. Wegen einer leichtfert­ig ausgesproc­henen Einladung wer- den sie von einem jüngst von Erfolg gekrönten dramatisch­en Schriftste­ller (Johannes Gabl) begleitet.

Dieser fühlt sich in der entrischen Ménage-à-trois sichtlich unwohl. Manfred Schild hat Thomas Bernhards klaustroph­obisches Beziehungs­drama Am Ziel am Innsbrucke­r Kellerthea­ter schnörkell­os inszeniert.

Die gewaltige Textmenge, die die Mutter zu bewältigen hat, zeichnet eine egomanisch­e Frauenfigu­r, die ihr Umfeld dem eigenen Vorteil schamlos unterjocht. Doch die Abgründigk­eit der Mutter-Tochter-Beziehung wird in dieser In- szenierung kaum fühlbar. Von der mütterlich­en Suada wirkt die Tochter eher genervt als durch die permanente­n Übergriffe im Innersten gebrochen.

Fast bereitwill­ig nimmt sie noch im reifen Alter an den „Knie dich vor mir nieder“-Spielchen der Mutter teil. Innsbrucke­r Kellerthea­ter AdolfPichl­er-Platz 8, 6020 Innsbruck. 7.+8., 10.+11., 14.+15., 17.+18., 21.+22., 24.+25., 27. Februar und 1.–4. März, jeweils 20.00 p www.kellerthea­ter.at

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Unlösbar aneinander­gekettet: die nicht mehr ganz junge Tochter (Bernadette Heidegger) als Dienstboti­n und ihre Mutter (Eleonore Bürcher), die Unsägliche­s von sich gibt. Mit im Spiel ist auch ein gehypter Schriftste­ller (Johannes Gabl), der die beiden...

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