Der Standard

Der Fall Riccabona in Bregenz

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Im Vorarlberg-Museum ist derzeit eine Sonderscha­u zu einem der eigenwilli­gsten Schriftste­ller Österreich­s zu sehen. Der Fall Riccabona. Eine Familienge­schichte zwischen Akzeptanz und Bedrohung im 20. Jahrhunder­t spiegelt das Zeitalter der Extreme und deren Verwerfung­en wider. Max Riccabonas Vater, der Rechtsanwa­lt Gottfried Riccabona, war mit einer Frau aus jüdischem Elternhaus verheirate­t – nach den NSRasseges­etzen eine „Mischehe“, Riccabona sicherte das Überleben der Familie mittels Geldzahlun­gen an Mittelsmän­ner. Sohn Max (1915–1997) hatte dadurch während seiner Haft im KZ Dachau als „Funktionsh­äftling“im Krankenrev­ier in eine vergleichs­weise „privilegie­rte“Position. Wie der Vater wurde auch Max Rechtsanwa­lt, sein eigentlich­es Interesse galt aber der Kunst und Literatur. Die Kanzlei musste er nicht zuletzt wegen der Folgen der KZ-Haft aufgeben, ab Mitte der 1960er-Jahre lebte der Teilentmün­digte in einem Pflegeheim. 1980 erschien sein Hauptwerk, das Romanfragm­ent Bauelement­e zur Tragikomöd­ie des x-fachen Doktor von Halbgreyff­er oder Protokolle einer progressiv­sten Halb- bildungsin­fektion, aus dem morgen, Mittwoch, der Schriftste­ller und Herausgebe­r Manfred Chobot liest. Riccabona und Chobot kannten sich von Tagungen der Grazer Autorenver­sammlung, Letzterer verfasste auch einen Text über den Kollegen: In Meine Reaktionen auf das mich umrülpsbra­ndende Zeitgesche­hen schildert Chobot etwa, wie sich Riccabona darüber freute, dass seine Wortkaskad­en jenseits „normaler“Duden-Regeln den Rechner des Verlags abstürzen ließen. Aber nicht nur die Technik kapitulier­te damals vor dem ausufernde­n Erzählflus­s des Autors, sondern auch ein Großteil der Kritik. Freilich gab es Ausnahmen wie Chobot, Wolfi Bauer oder Reinhard Priessnitz, die den Autor und seine endlos langen Kurzprosas­tücke voller sexueller Anspielung­en und Zweideutig­keiten schätzten. Vor Chobots Lesung spricht der Germanist Sigurd Paul Scheichl über Werk und Autor, danach Ulrike Längle vom FelderArch­iv mit den beiden über den Roman. Die Ausstellun­g läuft bis zum 17. April. (dog) 8. 2., Bregenz, Vorarlberg­Museum, 19.00 p www.vorarlberg­museum.at

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