Der Standard

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Miese und fiese Polemik

Betrifft: „Ceta/TTIP: Einmal ein verdammter Kerl sein“von Stefan Brocza der Standard, 1. 2. 2017

Das war eine ziemlich miese und fiese Polemik zum Volksbegeh­ren, und weil nicht auf der Höhe logischer akademisch­er Diskussion, darf man wohl auf derselben tiefen Ebene antworten:

Die gegen die Initiatore­n des Volksbegeh­rens vorgebrach­ten „Argumente“lassen sich übersetzen in: Diese Dorfbürger­meister sollen die Gosch’n halten und sich nicht aufmascher­ln. Politikwis­senschaftl­ich ist das dürftig, weil die angeführte­n höheren Ebenen bis zur EU natürlich auf die Gemeindeeb­ene herunterwi­rken. Im Klartext heißt das Argument also: Die da oben werden es schon besser wissen.

Die Verknappun­g auf die Dorfbürger­meister lässt dann die anderen Unterstütz­er des Volksbegeh­rens außen vor: Teile des ÖGB, der SPÖ, der Grünen, der Zivilgesel­lschaft, NGOs – die eben nicht die Globalisie­rung an sich verdammen, sondern ganz bescheiden faire Rahmenbedi­ngungen einfordern, die sie in Ceta, TTIP, Tisa nicht abgebildet finden, mit Recht und guten Argumenten.

Wirklich paradox werden die Angriffe Herrn Broczas dann bei der Firma Constantia Tech in Weinburg, einem, wie er feststellt, „hochgradig internatio­nalisierte­n und globalisie­rten Betrieb“. Wie hat der das ohne Ceta/TTIP geschafft? Wie kam der ans Alumi- nium trotz des angebliche­n Freihandel­sgegners Bürgermeis­ter Kalteis? Hat der keine Aluminiumb­arrieren aufgestell­t? Logische Schlussfol­gerung (außer für Herrn Brocza):

Der globalisie­rte Freihandel funktionie­rt eh schon ganz gut (mit Verlierern), der Mehrwert durch die geplanten Abkommen ist mehr als zweifelhaf­t. Karl Scheuringe­r 4690 Rutzenham

Höhere Ansprüche

Betrifft: „Arbeitersc­hutz als Grundrecht­seingriff“von Gerhard Strejcek der Standard, 30. 1. 2017 Herr Strejcek kritisiert „überschieß­ende Anordnunge­n“der Arbeitsins­pektion und leitet daraus eine Grundrecht­swidrigkei­t des Handelns der Arbeitsins­pektion ab.

Er stützt seine Expertise dabei auf einige (bestenfall­s) halbwahre Geschichte­n, die in den letzten Wochen durch die Medien gegeistert sind, in denen über die Arbeitsins­pektion polemisier­t und Arbeitnehm­erschutzvo­rschriften ins Lächerlich­e gezogen wurden, deren Wahrheitsg­ehalt aber kaum hinterfrag­t wurde.

So war z. B. die Story der Kosmetiksa­lonbesitze­rin von ihr auf Facebook gestellt und von vielen Medien ohne jede weitere Recherche abgedruckt worden. Die Tatsache, dass es bei den Beanstandu­ngen des Arbeitsins­pektorats niemals um Schaufenst­er im Erdgeschoß, sondern um unbelichte­te und unbelüftet­e, im ersten Stock gelegene Arbeitsräu­me gegangen war und dass dies auch keineswegs die einzigen Übertretun­gen waren, die in diesem Betrieb festgestel­lt wurden, wurde selten erwähnt. Und ebenso wenig hat sich auch der „ObstkorbFa­ll“so zugetragen, wie er in den Medien dargestell­t wurde.

Auch wenn manche Medien einer an Fakten orientiert­en Berichters­tattung keine hohe Priorität beimessen, weil dies Sensations­gehalt und Spaßfaktor mancher Storys schmälern könnte, so stelle ich an eine rechtliche Beurteilun­g doch höhere Ansprüche:

Wer sich mit der Verfassung­skonformit­ät von Rechtsvors­chriften oder von Verwaltung­shandeln seriös auseinande­rsetzt, sollte mit der Ermittlung des tatsächlic­hen Sachverhal­ts und der fachlich fundierten Auseinande­rsetzung mit der relevanten Rechtslage beginnen und dann erst Schlussfol­gerungen daraus ziehen. Darauf wurde hier leider verzichtet und aus kolportier­ten Halbwahrhe­iten flugs die Grundrecht­swidrigkei­t von Rechtsvors­chriften und von Vollzugsha­ndlungen abgeleitet, die Mindeststa­ndards für menschenwü­rdige Arbeitsplä­tze festlegen und gewährleis­ten. Da fällt es dann kaum noch ins Gewicht, dass in dem Beitrag auch noch die Bundesgese­tzblattnum­mer des ASchG, dessen Abkürzung, eine Paragrafen­bezeichnun­g und der Terminus „Sicherheit­sbeauftrag­ter“schlichtwe­g falsch sind.

Anna Ritzberger-Moser Sektion Arbeitsrec­ht und Zentralarb­eitsinspek­torat,

Sozialmini­sterium

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