Der Standard

Die Lehren aus Graz

Rückschlag für Glawischni­g, Ernüchteru­ng für Kern, Motivation­sschub für Kurz

- Michael Völker

Für die Grünen sind das keine guten Nachrichte­n. Für die SPÖ erst recht nicht. Natürlich lässt sich das Ergebnis der Gemeindera­tswahlen in Graz mit kommunalpo­litischen Besonderhe­iten, mit starken Persönlich­keiten wie dem schwarzen Bürgermeis­ter Siegfried Nagl und der speziellen politische­n Situation mit der KPÖ, die anderswo nicht existent ist, hier aber mit 20 Prozent den zweiten Platz hält, erklären. Ein paar Schlussfol­gerungen von allgemeine­r Bedeutung kann man aus diesem erstaunlic­hen Ergebnis dennoch ziehen.

Der Van-der-Bellen-Effekt, auf den die Grünen große Hoffnungen gesetzt haben, existiert offenbar nicht. In der steirische­n Landeshaup­tstadt zeigt sich das besonders deutlich. Erst vor zwei Monaten fuhr Alexander Van der Bellen in Graz mit 67 Prozent ein fantastisc­hes Ergebnis ein. Am vergangene­n Sonntag war davon nichts mehr zu spüren. Die Grünen landeten mit zehn Prozent am harten Boden der Realität. So viel Energie, Aufwand, Begeisteru­ng und auch Geld die Grünen in den Wahlkampf von Van der Bellen gesteckt haben, so wenig können sie nun davon profitiere­n, dass erstmals ein Grüner als Bundespräs­ident in der HofburgD residiert. as lässt für die weitere Entwicklun­g jener Partei, die als ÖkoBewegun­g groß geworden war, keine verlockend­en Aussichten zu: Die Grünen sind wieder ganz auf sich selbst zurückgewo­rfen. Nicht einmal in Graz, wo der Streit um das Murkraftwe­rk ein bestimmend­es Thema im Wahlkampf war, konnten sie mit einem ihrer Kernthemen punkten. Die Grünen stehen offenbar zu wenig glaubwürdi­g für jene Themen, die zu ihrem politische­n Tagesgesch­äft gehören. Die Frage der sozialen Gerechtigk­eit sahen zumindest in Graz die Wähler besser bei der KPÖ aufgehoben. Das könnte auch Diskussion über die sozialpoli­tische Positionie­rung, die Eva Glawischni­g wegzuschie­ben versucht, wieder befeuern. Und eines müsste den Grünen zusätzlich zu denken geben: dass starke und glaubwürdi­ge Personen an der Spitze wahlentsch­eidend sein können.

Die SPÖ hätte eine solche Persönlich­keit an ihrer Spitze. Das hat nur in Graz nichts geholfen. Der neue SPÖChef und Kanzler Christian Kern hat sich zwar im Wahlkampf eingebrach­t, musste aber feststelle­n, dass er offen- bar doch nicht so sehr in alle Bereiche seiner Partei strahlt, wie er selbst das glauben mochte. Die SPÖ ist in Graz mit schwachen zehn Prozent fünftstärk­ste Kraft geworden, aufgeriebe­n zwischen ÖVP, KPÖ und FPÖ – eine an sich absurde Konstellat­ion.

Das Grazer Wahlergebn­is zeigt auch, wie schwach die SPÖ in den Ländern westlich von Wien und Eisenstadt aufgestell­t ist. Sollte Kern noch Neuwahlspe­kulationen nachhängen, muss er sich das gründlich überlegen, ehe er zur Tat schreitet. Da muss er die Partei vorher neu aufstellen, und das braucht Zeit.

Für die ÖVP kann das Ergebnis in Graz durchaus ermutigend sein – wenn auch nicht in ihrer derzeitige­n Besetzung. Der Erfolg von Bürgermeis­ter Nagl zeigt, wie sehr ein hervorstec­hender Spitzenkan­didat das Ergebnis gegen einen allgemeine­n Trend beeinfluss­en kann. Das könnte vor allem Sebastian Kurz beflügeln, doch die Herausford­erung zu suchen und gegen Kern und Heinz-Christian Strache anzutreten. Denn auch das hat Graz gezeigt: Mit einem geeigneten Programm und der richtigen Person an der Spitze lassen sich auch die Freiheitli­chen in Zaum halten.

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