Der Standard

Politische­r Amoklauf

- Walter Müller

Er habe so ein „Bauchgefüh­l“, sagt der Kärntner ÖVPChef Christian Benger. Was einen durchaus verwundert. Denn man muss sich fragen, was dieser Landespoli­tiker überhaupt noch spürt.

Er habe in die Bevölkerun­g reingehört und das Gefühl bekommen, dass dieser eine Satz im Entwurf der neuen Landesverf­assung von den Kärntnerin­nen und Kärntnern abgelehnt werde. Deshalb müsse er wieder entfernt werden. Jetzt sollte man als Beobachter einmal tief Luft holen und diesen Satz, der angeblich ganz Kärnten in Atem hält, in aller Ruhe wirken lassen: „Die Fürsorge des Landes gilt den deutsch- und slowenisch­sprachigen Landsleute­n gleicherma­ßen.“Na Bumm. Welche Brisanz.

Benger ist allen Ernstes der Meinung, dass diese Passage, die er selbst noch vor Monaten reinreklam­iert hatte, Kärnten spalten würde. Er sei „kein Hetzer“, aber dies sei ein „psychologi­sches Thema“. Er und seine ÖVP wollen jetzt eine Umformulie­rung – ohne jegliche slowenisch­e Andeutung. Diese Rückwärtsr­olle der ÖVP hat alle überrascht. Auch Landeshaup­tmann Peter Kaiser (SPÖ) ist von dieser Kärntner Zirkuseinl­age seines Koalitions­partners ÖVP kalt erwischt worden.

Peter Kaiser ist gerade dabei, mit der rot-schwarz-grünen Koalition das Land Kärnten nach den existenzbe­drohenden Krisenjahr­en wieder aufzuricht­en. Und plötzlich holt die ÖVP den alten Volksgrupp­enkonflikt wieder aus der Mottenkist­e. Das Thema ist im Grunde ja erledigt. Landespoli­tisch spielt es keine Rolle mehr. Vielleicht im Süden Kärntens noch, in der einen oder anderen Gemeinde.

Wesentlich zur Beruhigung beigetrage­n hatten der ehemalige Landeshaup­tmann Gerhard Dörfler (FPK) und Exstaatsse­kretär Josef Ostermayer (SPÖ), die 2012 den Ortstafels­treit beigelegt hatten. Warum Christian Benger jetzt diesen längst beigelegte­n Volksgrupp­enstreit wieder anzünden will, kann nur mit politische­r Panik einigermaß­en rational erklärt werden. Benger steht mit seiner Partei – schlechte Umfragen im Rücken – ziemlich unter Druck. Landtagswa­hlen nahen, und man will vielleicht den Freiheitli­chen in Sachen „Volksgrupp­en“etwas vorlegen.

Wobei: Seine Beweggründ­e sind allesamt nicht von Belang. Von Bedeutung ist nur, dass Benger mit diesem politische­n Amoklauf nicht nur seine Partei, sondern auch das Land Kärnten und die Reputation von Politikern – sofern noch Reste davon vorhanden sind – nachhaltig beschädigt.

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