Pilz: Türkei hat Spitzelnetz in Österreich
Peter Pilz wirft Ankara vor, „türkische Verhältnisse in Österreich und Deutschland“schaffen zu wollen. Der Geheimdienst gehe in Österreich gegen Oppositionelle vor, Moscheenfinanzierung aus dem Ausland verstoße laut Pilz gegen das Islamgesetz.
Schwere Vorwürfe gegen den türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan erhob am Freitag der Sicherheitssprecher der Grünen, Peter Pilz. Anhand interner Dokumente der türkischen Botschaft in Wien, die ihm zugespielt worden waren, legte er bei einer Pressekonferenz in Wien dar, wie nach dem Putschversuch im Juli 2016 angeordnet worden sei, Erdogan-Gegner in Österreich zu bespitzeln.
Rund 200 Informanten beschäftigt der türkische Geheimdienst MIT laut Pilz in Österreich. Ziel sei unter anderem die Bespitzelung mutmaßlicher Oppositioneller und kritischer Journalisten: „Die Menschen in Österreich, die nicht blindwütig Erdogan folgen, sind einer großen Gefahr ausge- setzt, bei der Einreise in die Türkei droht ihnen die Verhaftung.“
In einem von Religionsattaché Idris Lap vom Konsulat in Salzburg unterzeichneten Schreiben erläutert dieser, wie gegen die angebliche „Unterwanderung“der ihm unterstellten „Türkisch-Islamischen Union“(Atib) durch Anhänger des Erdogan-Gegners Fethullah Gülen vorgegangen wird: „Atib und andere Vereine, die von unserer Direktion Religionsbedienstete beschäftigen, haben alle Bücher, Audiomaterialien, VideoCDs, Gedichtbände, Broschüren, Zeitungen vernichtet“, ist in der Übersetzung zu lesen. „Durch den starken Auftritt unseres Landes in Österreich und das schnelle Wahrnehmen unserer Landsleute verliert diese (Gülens, Anm.) Organisation immer mehr an Macht, und ihr Genick ist gebrochen.“Gelobt werden in dem Bericht vom 26. September 2016 die Bemühungen der Religionsbediensteten in Tirol, Jugendliche nach der Schule in Atib-Vereinslokalen zu betreuen, um „nationale und geistige Werte“hervorzuheben.
Verstoß gegen Islamgesetz
Seit die Atib 2010 der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich beitrat, sei es ihr gelungen, diese unter ihre Kontrolle zu bringen. Bezahlt wird sie vom türkischen Präsidium für Religionsangelegenheiten (Diyanet). Pilz geht von einem Budget von 20 bis 30 Millionen Euro im Jahr allein für Aktivitäten in Österreich aus und ortet darin einen Verstoß gegen das Islamgesetz von 2015. Dieses schreibt vor, dass die Finanzierung von Religionsgesellschaften durch diese selbst, die Kultusgemeinden bzw. ihre Mitglieder im Inland zu erfolgen hat.
Pilz forderte Kanzler Christian Kern, Außenminister Sebastian Kurz, Innenminister Wolfgang Sobotka und Justizminister Wolf- gang Brandstetter zum Handeln auf und kündigte die Veröffentlichung weiterer Dokumente zu Aktivitäten der Erdogan-Partei AKP im Bildungsbereich an.
Der Sicherheitssprecher betonte, dass die Mehrheit der AustroTürken nicht an diesen Aktivitäten beteiligt sei. So nahmen lediglich neun Prozent der etwa 105.000 türkischen Wahlberechtigten in Österreich an der Präsidentenwahl von 2014 teil. „Die AKP weiß, dass sie die friedliche türkischstämmige Wohnbevölkerung nur zu einem kleinen Teil instrumentalisieren kann. Es ist eine Minderheit, und jetzt geht es darum, diese zu finden, zu isolieren und die rechtsstaatlichen Konsequenzen zu ziehen.“
Die Pressekonferenz fand unter dem umfangreichen Schutz eines großen Polizeiaufgebotes statt, das laut Pilz vom Innenministerium angeordnet worden war.
In Ankara wurde am Freitag die Verfassungsreform zur Einführung eines Präsidialsystems eingeleitet, eine Volksabstimmung soll am 16. April stattfinden.