Der Standard

Extreme Unterschie­de bei Flüchtling­en

Jeder vierte Afghane, der im Vorjahr einen Check des AMS durchlaufe­n hat, war noch nie in einer Schule. Viele Syrer und Iraker bringen aber eine Matura oder ein Studium mit. Was das für ihre Jobchancen bedeutet.

- Andreas Sator

FRAGE & ANTWORT: Frage: Was wissen wir mittlerwei­le über die Flüchtling­e, die 2015 nach Österreich gekommen sind? Antwort: Immer mehr. Es gibt extreme Unterschie­de bei der Ausbildung der Menschen. Viele Afghanen waren nie oder nur ein paar Jahre in der Schule. Bei den Syrern und Irakern haben hingegen viele hohe Bildungsab­schlüsse, bringen also Matura oder einen Studienabs­chluss mit. Das zeigen am Freitag präsentier­te Zahlen des AMS. Die Daten passen gut zu dem, was eine Studie der Akademie der Wissenscha­ften, der Wirtschaft­suni und des IIASA in Laxenburg ergeben hat.

Frage: Ein paar Zahlen, bitte. Antwort: Das AMS hat im Vorjahr Daten von 6000 Flüchtling­en in sogenannte­n „Kompetenzc­hecks“erhoben. Dabei wird ihre Qualifikat­ion abgefragt. 62 Prozent der Syrer, 57 Prozent der Iraker und nur 20 Prozent der Afghanen, die nach Österreich gekommen sind, haben demnach einen Abschluss über die Pflichtsch­ule hinaus. In Österreich sind es 81 Prozent. Dabei sind aber viele Menschen mit Lehrabschl­uss, den es in den Ländern, aus denen die Flüchtling­e vorwiegend kommen, nicht gibt.

Frage: Was heißt das jetzt? Antwort: Von den Flüchtling­en zu sprechen führt in die Irre. Vor allem bei den Afghanen dürften es viele sehr schwer haben, in Österreich Fuß zu fassen. 25 Prozent, die im Vorjahr beim AMS-Check mitgemacht haben, waren nie in einer Schule. Davon hat etwas mehr als die Hälfte zu Hause lesen und schreiben gelernt. Mit so einer Klientel habe man keine Erfahrunge­n, sagte Johannes Kopf, Vorstand des AMS, am Freitag. Aber auch ein Schulabsch­luss auf Afghanista­n ist hierzuland­e nicht viel wert, das Schulsyste­m gilt als sehr veraltet. Die meisten werden quasi bei null anfangen müssen.

Frage: Und die Syrer und Iraker? Antwort: Auch bei ihnen wird die Integratio­n am Arbeitsmar­kt eine große Herausford­erung. Dass viele schon länger in Bildungsei­nrichtunge­n waren, ist für Kopf aber ein großer Vorteil. „Wir haben den Eindruck, dass wir gut mit Leuten arbeiten können, die zwölf oder 13 Jahre in einer Schule waren“, sagte er zum STANDARD. Sie könnte man einfacher für Jobs in Österreich qualifizie­ren. Frage: Aber warum bringen so viele hohe Bildungsab­schlüsse mit? Antwort: Die meisten Flüchtling­e haben Schleppern tausende Dollar bezahlt, um nach Europa geschleust zu werden. Das können sich großteils nur jene leisten, die aus reicheren Familien kommen. In Syrien liegt das durchschni­ttliche Jahreseink­ommen bei 3000 Dollar, sagt Isabella Buber-Ennser von der Akademie der Wissenscha­ften. „Die weniger gut Qualifizie­rten fliehen in Nachbarlän­der und reisen nicht nach Europa“, sagt sie. In Afghanista­n hätten 80 Prozent keine Schule besucht, bei den nach Österreich migrierten Afghanen sind es nur 25 Prozent.

Frage: Sind die Schulabsch­lüsse aus den Herkunftsl­ändern mit österreich­ischen vergleichb­ar? Antwort: Wenn es nach einer Studie des Ifo-Instituts geht, dann nein. Ein syrischer Achtklässl­er ist ihr zufolge auf dem Niveau eines deutschen Viertkläss­lers. Die Matura in Syrien ist laut Marie-Claire von Radetzky vom Institut der deutschen Wirtschaft aber ziemlich vergleichb­ar, vor allem der Mathematik­zweig.

Frage: Was heißt das jetzt für die Jobsuche der Flüchtling­e? Antwort: Johannes Kopf vom AMS skizziert es so: Alle müssen zuerst Deutsch lernen. Jüngere Flüchtling­e würden „durchgängi­g qualifizie­rt“. Erwachsene, die Bildung mitbringen, werden auf das österreich­ische System herangefüh­rt. Wer schon älter sei und kaum eine Bildung habe, komme aber nur für Hilfsarbei­ten infrage.

Frage: Wie viele haben schon Jobs? Antwort: Von denen, die sich zwischen Anfang 2015 und Mitte 2016 beim AMS gemeldet haben, haben 15 Prozent einen Job. Der Rest ist arbeitslos oder in Kursen.

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