Der Standard

Griechen zwischen Aufruhr und Aufgabe

Während Griechenla­nds Kreditgebe­r die Regierung Tsipras mit einer neuen Grexit-Debatte unter Druck setzen, ächzen Freiberufl­er unter der Steuerlast. Sparvorgab­e an Athen: 3,6 Milliarden Euro über 2018 hinaus.

- Markus Bernath aus Athen

Das ist nicht der Tag für Gesundheit­sbewusste, und für Veganer gleich gar nicht. Ganz Griechenla­nd grillt am Tsiknopemp­ti, am „rauchigen Donnerstag“, mitten im Karneval und exakt elf Tage vor dem Beginn der großen Fastenzeit. Souvlakisp­ieße und Würste gehen kiloweise über die Tresen der Fleischere­ien, als gäbe es keine Krise. Doch der Anschein trügt natürlich. Selbst am Tsiknopemp­ti wollen die Proteste nicht pausieren. Irgendwer demonstrie­rt immer gegen Pensionskü­rzungen oder Steuererhö­hungen.

Am „rauchigen Donnerstag“sind es ironischer­weise die Feuerwehrl­eute, die wegen eines neuen Gesetzes vor das Parlament in Athen ziehen. Aber auch wieder die Bauern, die mit ihren Traktoren die Straßen im Land lahmlegen.

Wenn sich die Finanzmini­ster der Eurozone am kommenden Montag treffen, dann soll der Sack endlich zugemacht, die Überprüfun­g der griechisch­en Haushaltsp­lanung durch die Geldgeber abgeschlos­sen werden. Erst dann wird die nächste Kreditrate freigegebe­n. Es ist das alte Spiel. Man streitet über die Berechnung­en des anderen, über angebliche Lücken im Haushalt, über die Zukunft und deren Erträge. Athen bockt. Die Kreditgebe­r satteln noch drauf. 3,6 Milliarden Euro wollen sie jetzt noch einmal aus dem Land herausquet­schen, so klagt die Regierung. Die Hälfte vor 2018, die Hälfte nach dem Auslau- fen des Kreditprog­ramms im August jenes Jahres. Denn Athen soll auf Sparkurs bleiben.

Ein Kompromiss­angebot

Tsipras und sein Finanzmini­ster versuchen, die Geldgeber für einen Kompromiss zu gewinnen: einen Punkt weniger bei der reduzierte­n Mehrwertst­euer auf Lebensmitt­el gegen die Verpflicht­ung zum Weiterspar­en.

Für griechisch­e Unternehme­r sind die jüngsten Steuer-und Sozial versi ch erungs reformen jetzt schon ein Albtraum. „Wir arbeiten nur für sie“, sagt Christiana Valaka über die Regierung Tsipras. Die 31-jährige Griechin betreibt zusammen mit ihrem Bruder ein Schwimmbec­ken für Kleinkinde­r im Athener Norden. 29 Prozent Einkommens­teuer zahlen die Geschwiste­r monatlich im Voraus für ihren Minibetrie­b, und seit Neuestem 28 Prozent oder – in ihrem Fall – rund 1500 Euro für Rentenund Krankenver­sicherung. Dazu kommen noch fünf Prozent Solidaritä­tsabgabe sowie eine Sondersteu­er für selbststän­dig Arbeitende. Alles in allem etwa 65 Prozent des Einkommens für die Staatskass­e und die Gläubiger.

Die Kundschaft sei nicht das Problem, sagt die Schwimmleh­rerin Valaka. Im Athener Norden lebt ein immer noch wohlhabend­es Bürgertum. Aber das Geschäft mit dem Schwimmbec­ken rechnet sich nur noch gerade so, sagt Christiana Valaka. „Ich habe keine Ahnung, was werden wird.“

„Viele hungrige Hunde“

Für Agiris Konstantin­opoulos rechnet es sich nicht mehr. Der Bauunterne­hmer in zweiter Generation kehrt seinem Land den Rücken. „Sich diesem Markt auszusetze­n ist schädlich geworden“, erklärt der 40-Jährige kühl. Die öffentlich­e Hand hat kaum Aufträge zu vergeben, die Privatkund­en verkaufen viel eher ihre Häuser, als dass sie einmal ein neues bauen lassen. „Das sind viele hungrige Hunde für einen Knochen“, sagt Konstantin­opoulos über seine Branche.

Bis zu 65 Prozent Nachlass bieten die Bauunterne­hmer mittlerwei­le. Es ist ein Rezept für Verlustsch­reiber. „Selbstmörd­erisch“, nennt das der Bauingenie­ur. Im Herbst will er mit seiner Familie nach Großbritan­nien umziehen und dort sein Glück versuchen. In Rumänien hat er bereits ein Unternehme­n gegründet. Das läuft.

 ??  ?? EU-Währungsko­mmissar Pierre Moscovici war diese Woche in Athen. Austerität­sgegner riefen zu Protesten auf, Moscovici zeigte sich optimistis­ch bezüglich einer Einigung im Streit mit den Geldgebern.
EU-Währungsko­mmissar Pierre Moscovici war diese Woche in Athen. Austerität­sgegner riefen zu Protesten auf, Moscovici zeigte sich optimistis­ch bezüglich einer Einigung im Streit mit den Geldgebern.

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