Für ein paar DDollar weniger
Wegen der geringeren Produktionskosten reisten einst viele der großen Western-Regisseure aus den USA nach Andalusien. In dem künstlichen Dörfchen Fort Bravo fanden sie die ideale Kulisse für heutige Klassiker. Über 200 Kinofilme sind dort seither entstand
Die meisten Cowboys sind schon lange weg, die hektischen Menschen mit all den Klappen, Kameras und Scheinwerfern längst wieder nach Übersee abgereist. Bloß drei Pferde sind an diesem Vormittag noch vor dem Büro des Sheriffs festgebunden, zwei Cowboys in viel zu langen Lederjacken harken mit knallroten Zinken ihrer Plastikrechen den Pferdemist zusammen. Einer stolpert dabei, flucht auf Spanisch und schlurft anschließend in den Saloon mit der frisch gestrichenen Holzfront und der Schwingtür. Ein paar Minuten später fährt das erste Mal an diesem Tag die Postkutsche durchs Bild: auf Rundfahrt mit ein paar quengelnden Kindern an Bord. Es muss bessere Zeiten für Cowboys gegeben haben. Sogar in Andalusien.
Auch all die Indianer scheinen fortgezogen – aber auf Zuruf kehren sie nach Fort Bravo zurück, sobald sich wieder diese Leute aus Hollywood ankündigen, irgendwer „Klappe und Action!“ruft und ein Handgeld an die Statisten aus der Umgebung zahlt. Wie damals, als die ganz Großen regelmäßig kamen und die Kameras im Dauerbetrieb surrten: Henry Fonda zum Beispiel, Steve McQueen und Yul Brunner. Ihre Fotos hängen überall im Saloon, einige davon haben sie signiert. Sogar das Double von Harrison Ford hat ein Autogramm dagelassen.
Wenn gerade kein Kinowestern in der wüstenhaften Landschaft der andalusischen Provinz Almeria gedreht wird, dann steht Fort Bravo inzwischen Urlaubern offen – als eine von drei solchen Kulissenstädten in der Region um Tabernas, alle mit großer Hollywoodkarriere. Deshalb hat der Saloon geöffnet, deshalb gibt es inzwischen zweimal am Tag eine StuntShow. Und deshalb hat irgendwer ein einziges modernes Gebäude an den Rand der Szenerie bauen und dort einen Bankomat installieren lassen. An diesem Vormittag verweigert er allerdings den Dienst.
Den Wilden Westen doubeln
Die Landschaft hier doubelt Arizona, New Mexico, Nevada oder Kalifornien: den Wilden Westen der USA. Die Häuschen von Fort Bravo aus Holz, Farbe und ein bisschen Pappmaché sind bloß noch das i-Tüpfelchen. Die glorreichen Sieben wurde hier ebenso gedreht wie Spiel mir das Lied vom Tod. Später waren es Die Daltons gegen Lucky Luke – und zwischendrin Italowestern mit Terence Hill und Bud Spencer, zuletzt Bully Herbigs Western-Parodie Der Schuh des Manitu.
Das nordöstliche Andalusien ist karg, wüstenhaft sogar, gebirgig, von Canyons durchzogen, mit Kakteen gespickt. Windräder thronen auf Türmen aus Holz oder Me- tall in den Tälern, helfen Wasser aus Tiefbrunnen hinauf zu befördern, um ein paar Pferden etwas zu trinken bieten zu können oder ein paar Bäumchen und einen Garten zu bewässern, die Steinhäuser sind flach, oft nur eingeschoßig – und manches sieht gerade hier draußen nach allerlei Improvisation aus. Die Kulisse jedenfalls passt ohne viel Zutun für all das, was Regisseur Sergio Leone und seine Zunftkollegen drehen wollten. Es passt alles noch immer haargenau so ins Bild wie in den 1960er- und 70er-Jahren. Nur scheinen klassische Western etwas aus der Mode zu sein.
Urlaub in der Kulisse
Irgendwann kam ersatzweise Steven Spielberg und produzierte hier mit Sean Connery und Harrison Ford Indiana Jones und der letzte Kreuzzug. Das passte ebenfalls gut. Und mancher der Film-
leute kommt seitdem privat wieder her: einfach auf Urlaub, weil er sich nebenbei in dieses Double des Wilden Westens verliebt hat, in die herzhafte andalusische Küche, das Licht, die Luft, die viele Sonne.
Nachts ist es so still, dass man sogar das Knistern der alten Glühlampenfäden in der Beleuchtung hört, so finster vielerorts, dass das Milchstraßenband um so vieles klarer als anderswo zu sehen ist – so prachtvoll, so unglaubwürdig schön, so nah sogar, dass man glaubt, man müsste nur aus dem Schaukelstuhl aufstehen und könnte die Sterne einzeln vom Himmel sammeln und nach Gutdünken woanders hinpicken.
Stimmen sind nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr zu hören, Fahrgeräusche von Autos nur selten von irgendwo in der Ferne hinter den Kaktushecken. Dörfer haben Seltenheitswert, die Groß- städte sind weit weg: Córdoba 320, Sevilla sogar 390, die Provinzhauptstadt Almería immerhin 30 Kilometer.
In den ersten Monaten des Jahres trägt der andalusische Wilde Westen regelmäßig einen zarten Grünschleier, einen flaumweichen Film aus Frühling. Ab Mitte Mai, spätestens, ist hier wieder Wüste. Dabei hat die Region den Canyonlandschaften der USA eines voraus, ein unglaubliches Plus: das Meer. Keine Dreiviertelstunde ist es mit dem Auto vom Arbeitsplatz der Kulissen-Cowboys entfernt. Mit Stränden zwischen Steilküsten. Mit Buchten, von denen manche bis heute nur über Pisten zu erreichen sind.
Auf der Durchreise geblieben
Hans aus Holland ist seit über 30 Jahren da, war eigentlich mit dem Camper auf der Durchreise und blieb einfach: „Schöner und abwechslungsreicher konnte es anderswo auch nicht werden.“Davon ist er noch heute überzeugt, engagiert sich inzwischen im Umweltschutz am Cabo de Gata. Fort Bravo kennt er gut – aus unzähligen Statistenrollen. Manchmal musste er für ein und dieselbe Szene ein dutzend Mal an der Kamera vorbeireiten, bis alles hübsch im Kasten war: „Fünf Filmminuten an einem Drehtag hinzukriegen – das gelingt nur selten“, erinnert sich der Aussteiger. Sogar als römischer Legionär hat er hier schon einmal gejobbt, meistens war er Cowboy: „Mit silbrig angestrichener Holzpistole im Halfter!“Er lacht. „Das war für den Setausstatter billiger, als echte Revolver zu beschaffen.“Überhaupt kamen die Filmleute ursprünglich nur wegen der Preise: weil sich hier einschließlich aller Reisekosten viel günstiger produzieren ließ als zuhause im „echten“Wilden Westen.
Ginge es nach Azucena Laguia Allue und ihrer Freundin Conchita Hermida Bun, könnte gar nicht genug über die Glanzzeiten und all die Möglichkeiten gesprochen werden. Beiden ist daran gelegen, neue Produktionen für Fort Bravo und die gesamte Region zu gewinnen. Laguia Allue ist Location Scout, sucht die besten Settings für alle möglichen Themen, castet zugleich Statisten. Hermida Bun ist Kostümschneiderin. Sie stattet Stars und Statisten aus – und würde das gerne wieder häufiger tun. Noch einen Grund gibt es: Beide sammeln Autogramme. pFilmstudios Fort Bravo:
www.fortbravooficial.com