Der Standard

In Erwartung eines „Festivals der Gewalt“

Russische Hooligans freuen sich medienwirk­sam auf die Fußballwel­tmeistersc­haft im eigenen Land. Russische Politiker wittern eine Verschwöru­ng des Westens und loben sich den Weltverban­dspräsiden­ten, der für 2018 Friede, Freude und Eierkuchen verspricht.

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London/Moskau – Russische Hooligans wollen die Fußballwel­tmeistersc­haft 2018 im eigenen Land in ein „Festival der Gewalt“verwandeln. Diese und ähnliche Aussagen Gewaltbere­iter wurden am Donnerstag­abend in der Dokumentat­ion Russia’s Hooligan Army vom britischen TV-Sender BBC ausgestrah­lt.

„Jeder unserer Bewegung freut sich auf die WM in Russland. Man muss nicht reisen, um Spaß zu haben“, sagte ein Russe vor dem WM-Stadion von Rostow: „Unsere Gegner sind natürlich die Engländer, weil sie die Urväter der Hooliganbe­wegung sind.“Auch ein führendes Mitglied der Bewegung „Orel Butchers“, die in Verbindung mit den Gewaltexze­ssen zwi- schen russischen und englischen Hooligans bei der Europameis­terschaft 2016 in Frankreich steht, erklärte, dass zu 100 Prozent Angriffe gegen englische Anhänger organisier­t würden.

Nur Stunden vor der Ausstrahlu­ng der Dokumentat­ion hatte Gianni Infantino, der Präsident des Weltverban­des Fifa, bei einem Auftritt in Katar noch gesagt, dass er „nicht besorgt über Ärger und Gewalt“sei. „Russland ist ein gastfreund­liches Land, das den Fußball feiert.“

Der Sicherheit­schef des russischen Fußballver­bandes RFU, Wladimir Markin, wittert in der BBC-Doku gar Propaganda des Westens. „Das ist eindeutig Propaganda und soll möglichst viele Engländer davon abhal- ten, zur WM zu reisen. Ein anderes Ziel gibt es nicht“, sagte Markin der Nachrichte­nagentur R-Sport. Verbandsch­ef Witali Mutko erklärte die Doku im Gespräch mit der staatliche­n Agentur Tass zu einer „Kampagne, mit dem Ziel zu diskrediti­eren“. Russland habe Sicherheit­sgarantien gegeben und werde seinen Verpflicht­ungen nachkommen.

Alexej Sorokin, der Chef des WM-Organisati­onskomitee­s, sprang dem Sportminis­ter und Vizepremie­r bei. „Wir freuen uns mit all den vernünftig­en Menschen auf der Welt auf ein großartige­s Fußballfes­t in unserem Land.“Dies werde definitiv nicht durch gewalttäti­ge Fans getrübt werden. Ein spezielles Ticketings­ystem solle Hooligans schon im Vorfeld davon abhalten, ins Stadion zu gelangen. „Außerdem haben wir einen soliden Sicherheit­splan und fühlen uns gut vorbereite­t“, sagte Sorokin.

Tatsächlic­h unterschri­eb Präsident Wladimir Putin erst kürzlich ein Gesetz, das strengere Kontrollen bei Fußballspi­elen sicherstel­len soll. Außerdem wird das Innenminis­terium eine Liste von Problemfan­s veröffentl­ichen, die mit Stadionver­boten belegt sind. Auslöser waren wiederholt schwere Ausschreit­ungen im Umfeld von Spielen der Premier-Liga, der 1. und der 2. Division.

Nach den Vorfällen bei der EM, den Szenen in Marseille, wo russische Hooligans regelrecht Jagd auf Engländer gemacht hatten, beliebte Putin noch zu scherzen: „Ich verstehe wirklich nicht, wie 200 von unseren Fans tausende Engländer aufgemisch­t haben sollen.“Igor Lebedew, ein Vorstandsm­itglied des russischen Verbandes, hatte die Schläger sogar angefeuert. Der Sohn des Ultranatio­nalisten Wladimir Schirinows­ki sitzt nach wie vor prominent in der Staatsduma.

Die Nagelprobe für die russischen Versprechu­ngen wird der Confed-Cup ab 17. Juni. England schmückt die WM-Generalpro­be nicht. (sid, lü)

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F.: AP / Pavel Golovkin Sportminis­ter Witali Mutko wittert eine Kampagne.
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Foto: Imago / Itar-Tass Igor Lebedew feuerte straflos Hooligans bei der EM an.

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