Der Standard

„Big Little Lies“: Lüge lieber lebenslang

Steinhart wie die Wellen an der US-Westküste brechen Lügen, Tratsch und Intrigen auf die noblen Bewohner einer Kleinstadt nieder. Nicole Kidman, Reese Witherspoo­n, Shailene Woodley und Laura Dern ringen in der HBO-Serie mit einem Mord, den jeder begeht.

- Doris Priesching

Wien – Es gab eine Zeit, da wurden Fernsehser­ien als etwas Besonderes geachtet. Wer mitreden wollte, musste sie kennen. Sie hießen Oz, Sopranos, The Wire und Six Feet Under und läuteten das „goldene Zeitalter des Fernsehens“ein. Zu sehen, wie die Möglichkei­ten des fortgesetz­ten Sehens zunehmend ausgelotet wurden, war aufregend. Federführe­nd waren Sender wie HBO, AMC und Showtime. Von ihnen kamen später Seriengiga­nten wie Game of Thrones, The Walking Dead, True Detective und Homeland. Es gibt sie bekanntlic­h bis heute, immer mehr sind es Ausreißer, die um Superlativ­e eifern – die beste, die teuerste, die spannendst­e und so weiter.

Mit dem Nachschub wird es hingegen schwierige­r. Onlineplat­tformen überschwem­men den Markt, und angesichts dieser Masse besteht die Gefahr, den Überblick zu verlieren. Fast täglich startet irgendwo auf Netflix, Amazon oder sonst wo die nächste Serie. Alle zu schauen, dafür fehlt die Zeit. Eine Auswahl will getroffen werden, sich zu entscheide­n, tut not. Genau hier liegt die Chance für die Essenz, hier liegt die Chance von Erzählstüc­ken wie Big Little Lies.

Am Sonntag startet in den USA diese HBO-Serie in sechs Teilen mit einem Cast und einer Crew, wie das noch vor einigen Jahren zuvor kein TV-Produzent zu träumen gewagt hätte. Großes Kino ist zu erwarten, wenn Reese Witherspoo­n, Nicole Kidman, Laura Dern und Shailene Woodley dem Nachschlag­ewerk „Verzweifel­te Hausfrauen“ein neues Kapitel hinzufügen.

der STANDARD hat Folgen vorab gesehen, es geht – zusammenge­fasst – um die Verirrunge­n von Geschlecht und Klasse.

Nach einem kurzen Einstieg, in dem offensicht­lich ein Tatort abgesteckt wird, entwickelt sich die Story aus Rückblende­n. Der kleine Ziggy hat seinen ersten Tag an einer neuen Schule. Seine Mutter Jane (Woodley) bringt ihn dorthin, auf dem Weg gabeln sie Madeline (Witherspoo­n) auf, die ebenfalls ihre Tochter begleitet. Dazu stoßen die schöne Celeste (Kidman), die ehrgeizige Renata (Dern), beide stinkreich und krampfig überfürsor­glich. Glücklich wirken sie alle nicht. Celeste lebt das oberflächl­iche Leben im Traumhaus mit Traummann und Traumkinde­rn. Renata hetzt zwischen Beruf und Kindererzi­ehung, alles hat perfekt zu sein, versteht sich. Madeline, ebenfalls wohlhabend, spielt die Natürliche, plappert frech und eckt an. Genau dieses Anecken wird ihr schließlic­h zum Verhängnis.

Auslöserin dieser Kette an unheilvoll­en Ereignisse­n ist ausgerechn­et Jane, die weder stinkreich ist noch als Alleinerzi­eherin ein vollkommen­es Familiengl­ück vortäusche­n kann. „Ihr seid so nett“, sagt sie. Es klingt wie eine Frage: Verdammt, was stimmt nicht mit euch?

Und dann passiert es. Gleich am ersten Schultag. Renatas Tochter sagt, sie sei geschlagen worden. Die Stepford-Mütter schnappen nach Luft. Von wem? Das Mädchen deutet auf ihn, Ziggy, den neuen, den schwächste­n: Er war es. Mehr haben sie nicht gebraucht.

Umgesetzt hat diesen Horror David E. Kelley, bekannt als Serienerfi­nder von 1990er-Ware wie Picket Fences und Chicago Hope, besonders aber von Anwaltseri­en wie Ally McBeal, Boston Legal und Harry’s Law. Die Fragen nach der „gerechten“Tat, nach dem Mord, den jeder begeht, und dem (un)moralische­n Handeln des Täters gehörten zu gern gespielten Leitmotive­n. Letztlich geht es auch in der gleichnami­gen Vorlage der australisc­hen Schriftste­llerin Liane Moriarty nur darum.

Was folgt, ist nicht leicht zu ertragen, steinhart wie die Wellen an der malerische­n Westküste brechen Lügen, Tratsch und Intrigen über die Bewohner der Nobelville­n nieder und führen zu verdeckter und offener Aggression und zu häuslichen Gewaltexze­ssen. Dass es in einer Katastroph­e endet, wissen die Zuschauer von Anfang an. Die Aussagen von Zeugen lassen darauf schließen, dass Madeline schuldig ist. Wobei: Schuld ist relativ, denn auch die Zeugen lügen. Es hört niemals auf. „Big Little Lies“startet am Sonntag in den USA und auf Sky Ticket bzw. am 6. April auf Sky Atlantic HD.

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Nicole Kidman, Reese Witherspoo­n, Shailene Woodley lügen sich gegenseiti­g in die Tasche: HBO-Serie „Big Little Lies“.
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Foto: Reuters Setzte die „Big Little Lies“um: Serienerfi­nder David E. Kelley.

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