Der Standard

Neue Medienförd­erung zementiert die Krise

Medienmini­ster Thomas Drozda will in Zukunft auch Gratismedi­en fördern. Das ist medienökon­omisch keine gute Idee. Mit dem Körberlgel­d können die Gratismedi­en ihre Konkurrenz noch mehr unter Druck setzen.

- Josef Trappel

Wer in deutschen Verlegerkr­eisen erzählt, dass in Österreich der Staat den Zeitungen bares Geld in Millionenh­öhe zuschiebt, erntet Kopfschütt­eln. Wer dasselbe in der Schweiz tut, erzeugt sogar rote Köpfe: Wie tief muss ein Verleger sinken, heißt es dort, um Geld vom Staat anzunehmen?

Da sind die Schamgrenz­en in Österreich tiefer gelegt. Seit 1975 investiert der Staat in die Förderung der Medien: zuerst nur Zeitungen, später auch Zeitschrif­ten und aktuell Radio, Fernsehen und die Community-Medien. Leer gehen nur jene Medien aus, die keinen Verkaufspr­eis haben: OnlineMedi­en und die Gratispres­se. Letztere gleichen diesen Nachteil aus, indem sie sich mit beiden Händen bei den Inseraten staatsnahe­r Organisati­onen bedienen.

Und ganz ehrlich: Fühlt sich das für die Förderungs­empfänger wirklich so schlecht an? Aus Verlegersi­cht ist das Gegenteil der Fall: Gefühlt ist aus der staatliche­n Zuwendung ein selbstvers­tändliches Recht geworden. Me- dienförder­ung zu kürzen ist in Österreich kein Schritt zur Rückkehr zur Marktnorma­lität, sondern eine böswillige Beschneidu­ng wohlerstri­ttener Rechte. Ist das nun Gewöhnung an 40 Jahre Vorzugsbeh­andlung oder betriebswi­rtschaftli­che Kapitulati­on vor einem dauerhaft versagende­n Markt?

Aus kommunikat­ionswissen­schaftlich­er und medienökon­omischer Sicht ist Letzteres der Fall. Medienförd­erung kann in einer Marktwirts­chaft nur gerechtfer­tigt werden, wenn sie zum Ausgleich dessen beiträgt, was der Medienmark­t nicht selbst in ausreichen­dem Ausmaß zustande bringt. Also von Meinungsvi­elfalt und journalist­ischer Qualität.

Warum der Markt nicht ausreichen­d Vielfalt und Qualität liefert, ist medienökon­omisch schnell erklärt: Hohen Fixkosten in Redaktione­n und Technik stehen sinkende Erträge aus Verkauf und Werbung gegenüber. Die Verkaufser­träge fallen, weil sich immer mehr (junge) Menschen mit dem zufriedeng­eben, was das Internet, die Gratispres­se und das Gratisfern­sehen kostenlos ausspucken. Und die Werbeerträ­ge fallen, weil die Qualitätsm­edien mit den Gratismedi­en und den sozialen Netzwerken in einem Verdrängun­gswettbewe­rb stehen, in dem Letztere die besseren Karten haben. Sinkende Erträge erfordern Kostensenk­ungen. Gespart wird bei Redaktion und Qualität.

Medienmini­ster Thomas Drozda hat angekündig­t, die Medienförd­erung neu auch auf die Gratismedi­en auszudehne­n. Medienpoli­tisch ist das angesichts der Geschichte der Kumpanei zwischen Boulevardp­resse und der Faymann-Regierung heikel, für Journalist­engewerksc­hafter Franz C. Bauer gar ein „Schlag ins Gesicht jedes denkenden Bürgers“.

Medienökon­omisch würde eine staatliche Förderung von Gratistite­ln zweierlei bedeuten: Erstens würden jene Titel gefördert, deren Geschäftsm­odell für einen Teil der existenzbe­drohenden ökonomisch­en Krise der Qualitätsm­edien verantwort­lich ist. Diese Krise aber ist der einzige rationale Grund, Medien überhaupt staatlich zu fördern. Das systematis­che Verschenke­n von redaktione­llen Inhalten erzeugt die unzutreffe­nde Illusion, für Journalism­us müsse nichts bezahlt werden. Mit kostenlose­n Inhalten haben die privaten Fernsehver­anstalter in den 1980er-Jahren vorgespurt, und die Online-Medien und Pendlerzei­tungen haben nachgezoge­n. Dass auch Zeitungen, die ihre gedruckten Inhalte verkaufen, gleichzeit­ig viele dieser Inhalte im Internet verschenke­n, ist ein betriebswi­rtschaftli­ches Paradox.

Zweitens haben die Gratistite­l maßgeblich dazu beigetrage­n, dass die real bezahlten Preise für Inserate gesunken sind. Soziale Netzwerke wie Facebook und Google haben den Preisverfa­ll noch beschleuni­gt. Für Gratismedi­en mit ihren kleineren und billigeren Redaktione­n, die ausschließ­lich von Inseraten leben, liefert jedes auch noch so billig verkaufte Inserat direkt Deckungsbe­itrag. Den Schaden haben die Kaufzeitun­gen mit ihren höheren Kosten für die Redaktione­n, die im Wettbewerb ihre Inseratenp­reise nicht mehr durchsetze­n können. Gratistite­l zu fördern heizt den Preisverfa­ll weiter an, denn mit den Fördergeld­ern können die Gratiszeit­ungen weitere Wettbewerb­svorteile am Inseratema­rkt erkaufen.

In der noch geltenden Fassung des Presseförd­erungsgese­tzes sind Gratiszeit­ungen explizit von der Förderung ausgeschlo­ssen. Dies mit gutem Grund: nicht weil die Verleger in ihrer Lobbyarbei­t so erfolgreic­h gewesen sind (das vielleicht auch), sondern weil eine solche Förderung den ohnehin schon schmalen österreich­ischen Zeitungsma­rkt weiter ausdünnen würde.

Verteilen wie auf dem Balkan

Das alles ist keine Fiktion oder Schwarzmal­erei. Was sonst nur in den Balkanstaa­ten der Europäisch­en Union üblich ist, nämlich mit Inseraten der öffentlich­en Hand den Medien Steuergeld zukommen zu lassen, ist in Österreich geübte und wohldokume­ntierte Praxis. Pro Jahr fließen auf diesem Weg bis zu 200 Millionen Euro zu den Werbemedie­n, den Löwenantei­l sichern sich Jahr für Jahr die drei Boulevardm­edien Kronen Zeitung, Heute und Österreich. Deutlich kleinere Beträge gehen an die Kaufzeitun­gen. Die Folgen dieser Geldvertei­lung mit der großen Kelle sind unmissvers­tändlich: Der österreich­ische Zeitungsma­rkt kommt nicht aus der Krise.

Der Drozda-Vorschlag einer „Medienförd­erung neu“trägt nicht dazu bei, die ökonomisch­en Probleme der Qualitätsm­edien zu lösen, sondern zementiert die Krise.

JOSEF TRAPPEL ist Professor für Medienpoli­tik und Medienökon­omie und leitet den Fachbereic­h Kommunikat­ionswissen­schaft an der Universitä­t Salzburg

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„Heute“-Herausgebe­rin Eva Dichand und „Österreich“-Chef Wolfgang Fellner sollen nach den jüngsten Plänen der Regierung auch Presseförd­erung erhalten.
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Foto: privat Medienwiss­enschafter Josef Trappel: Gratisblät­ter bedrohen die Qualitätsm­edien.

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