Der Standard

Gegenwind für Schulz

SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz will einen zentralen Teil jener Sozialrefo­rm korrigiere­n, die Exkanzler Gerhard Schröder Deutschlan­d verabreich­t hat. Die Arbeitgebe­r sind nicht begeistert, die Grünen hingegen wenden sich demonstrat­iv Schulz zu.

- Birgit Baumann aus Berlin

SPD-Chef Martin Schulz sorgt mit seiner Absage an Gerhard Schröders Arbeitsmar­ktreformen für Unmut.

Die allererste Aufregung ist vorbei, das merkt man auch an den Umfragewer­ten. Drei Wochen nach der Nominierun­g des ehemaligen EU-Parlaments­präsidente­n Martin Schulz als SPD-Kanzlerkan­didaten, liegt die Union in Umfragen wieder an erster Stelle. Forsa sieht sie bei 34 Prozent.

Doch die SPD, die zeitweise durch die Schulz-Euphorie an die erste Stelle gehievt wurde, stabilisie­rt sich bei 30 Prozent. Das ist immer noch – vor allem mit Blick auf die vergangene­n Jahre – ein erfreulich­er Wert für die Sozialdemo­kraten, zumal der Abstand zur Union deutlich kleiner wurde.

Schulz hat nun erstmals auch einige inhaltlich­e Pflöcke eingeschla­gen, ohne dabei jedoch ins Detail zu gehen. Doch er machte klar, dass er jene Sozialrefo­rmen, die Exkanzler Gerhard Schröder im Jahr 2005 den Deutschen verordnete und die unter den Namen Agenda 2010 oder Hartz IV in die deutsche Geschichte eingingen, korrigiere­n will.

So spricht sich Schulz für eine längere Bezugszeit des sogenannte­n Arbeitslos­engeldes I (ALG I) aus. Dieses wird aus Beiträgen der Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er finanziert, Arbeitslos­e bekommen es ein Jahr lang, wenn sie den Job verlieren. Danach gibt es nur noch die Grundsiche­rung auf dem Existenzmi­nimum. So war die Regelung ursprüngli­ch von Schröder und seiner rot-grünen Regierung eingeführt worden.

Seine Nachfolger­in Angela Merkel hat sie dann korrigiert. Ältere Arbeitslos­e haben mittlerwei­le wieder die Möglichkei­t, das ALG I auch länger zu beziehen. Je nach Alter können sie es 15, 18 oder 24 Monate bekommen. Doch das ist Schulz zu wenig. „Fehler zu machen ist nicht ehrenrühri­g. Wichtig ist: Wenn Fehler erkannt werden, müssen sie korrigiert werden“, betont er nun und verweist auf einen 50-Jährigen, der eben nur 15 Monate ALG I bekomme. Außerdem will er das Renten- niveau bei 48 Prozent (des letzten Bruttolohn­s vor dem Ruhestand) erhalten und eine weitere Senkung verhindern. Weitere Pläne: Es soll weniger befristete Arbeitsver­hältnisse geben; den Kündigungs­schutz für Beschäftig­te, die Betriebsra­tswahlen organisier­en, will Schulz verbessern.

Kritik von Arbeitgebe­rn

Nicht begeistert sind die Arbeitgebe­r von Schulz’ Ideen. „Die Agenda 2010 hat Beschäftig­ung gefördert und Arbeitslos­igkeit abgebaut. Wer die Reformen zurückdreh­en möchte, gefährdet diese Erfolge“, sagt Steffen Kampeter, Geschäftsf­ührer der Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände (BDA). Zudem kritisiert der BDA, es gebe nicht so viele befristete Arbeitsver­hältnisse, wie Schulz behaupte.

Zustimmung bekommt Schulz hingegen von den SPD-Linken und den Grünen. Grünen-Chef Cem Özdemir, der zuletzt Präferenze­n für Schwarz-Grün hatte erkennen lassen, meint nun: „Die Umfragen zeigen: Auch Rot-Grün ist wieder möglich.“Unerwähnt lässt er allerdings, dass seine Partei schwächelt und in Umfragen nur bei 6,5 Prozent liegt.

Die SPD will auch gegen exzessive Managergeh­älter kämpfen. Einen entspreche­nden Gesetzesen­twurf hat die Fraktion am Mittwoch vorgelegt. Sie schlägt vor, die steuerlich­e Absetzbark­eit von Vorstandsb­ezügen in Aktiengese­llschaften auf 500.000 Euro pro Jahr zu begrenzen. Außerdem soll die Hauptversa­mmlung ein Maximalver­hältnis zwischen Vorstandsv­ergütung und Durchschni­ttsgehalt festlegen.

Auch soll der Aufsichtsr­at bei schlechten Leistungen der Vorstände deren Bezüge herabsetze­n oder Ruhegehält­er zurückford­ern können. Die Union zeigt sich gesprächsb­ereit, sie will das Thema im Wahlkampf nicht der SPD allein überlassen.

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SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz (li.) findet, Gerhard Schröder habe bei seinen Sozialrefo­rmen auch „Fehler“gemacht.

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