Der Standard

Vorbehalte gegen „Med-Unis light“

Der Bürgermeis­ter von Mürzzuschl­ag wäre „happy“, wenn sich bei ihm im Ort eine Med-Uni ansiedeln würde, die akademisch­e Community zeigt sich ablehnend. Es gebe bereits genügend private Einrichtun­gen, deren Qualität und Finanzieru­ng fragwürdig sei.

- Steffen Arora, Marie-Theres Egyed, Lisa Kogelnik

Wer im Herbst ein Medizinstu­dium anfangen will, muss sich bald für einen Standort entscheide­n. Von 1. bis 31. März läuft die Onlineanme­ldung für die Zulassung an den öffentlich­en Universitä­ten. Den Test können Bewerber entweder für Wien, Graz, Innsbruck oder Linz machen. Doch neben den öffentlich­en Universitä­ten gibt es immer mehr private Anbieter. Der Wissenscha­ftsrat sowie die Universitä­tenkonfere­nz (Uniko) fürchten Qualitätsm­ängel, auch die öffentlich­en Med-Unis sind über die private Konkurrenz nicht erfreut.

Die private Ausbildung zum Arzt bieten derzeit die Paracelsus­Uni in Salzburg, die Karl-Landsteine­r-Uni sowie die Danube Private University in Krems und die Sigmund-Freud-Uni in Wien. Doch damit nicht genug: Weitere Standorte sind geplant. Der USamerikan­ische Investor John K. Eapen will im steirische­n Mürzzuschl­ag mit der MGEI-Academy eine Zweigstell­e der ukrainisch­en Bukovinian State Medical Univer- sity einrichten. Was aber genau der Investor plant, ist unklar. Unter dem telefonisc­hen Anschluss der MGEI-Academy meldet sich lediglich ein Anrufbeant­worter, eine Anfrage per Mail wurde bis Redaktions­schluss nicht beantworte­t. Bürgermeis­ter Karl Rudischer wäre jedenfalls „happy“, wenn künftig bei ihm im Ort Medizin studiert werden könne, sagt er zum STANDARD. „Der Bedarf ist da“, ist er sich sicher.

Akkreditie­rung nötig

Ursprüngli­ch war der Start schon für Herbst geplant. Das dürfte sich aber nicht ausgehen. Bei der Agentur für Qualitätss­icherung und Akkreditie­rung Austria (AQA) ist bisher kein Antrag eingegange­n. Geschäftsf­ührer Achim Hopbach weist die Kritik zurück, wonach die Privaten zu wenig geprüft werden. „Alleine die Tatsache, dass seit Bestehen der Agentur die Mehrheit der Anträge auf Akkreditie­rung abgelehnt wurde, zeigt, dass es sich keinesfall­s um eine Formalität handelt“, sagt er zum STANDARD. Sämtliche Entscheidu­ngen würden auf internatio­nalen Gutachten beruhen.

Um gegen den angebliche­n Ärztemange­l anzukämpfe­n, hat das Land Tirol ebenfalls eine PrivatUni angekündig­t. Gemeinsam mit der Universitä­t und der Med-Uni Innsbruck sowie der privaten Universitä­t für Gesundheit­swissensch­aften Umit solle eine „Medical School“errichtet werden. Geplant war ein Stipendien­system nach Südtiroler Vorbild, wo Absolvente­n dazu verpflicht­et werden, innerhalb von zehn Jahren vier Jahre im Land zu arbeiten. Das dürfte aber gegen EU-Recht verstoßen. Tilg will dem STANDARD keine Details zu dem Tiroler Projekt nennen und verweist auf eine Machbarkei­tsstudie, deren Ergebnisse im März präsentier­t werden sollen.

Helga Fritsch, Rektorin der MedUni Innsbruck, steht dem Vorhaben kritisch gegenüber. „Wir stehen nicht für eine ärztliche Zweiklasse­nausbildun­g zur Verfügung“, sagt sie. Einem etwaigen Medizinerm­angel entgegenzu­treten sei eine politische Entscheidu­ng, darauf habe die Universitä­t nur bedingt Einfluss.

Generell wenig Freude mit den privaten Plänen hat ihr Wiener Kollege Markus Müller. Die Hürden, eine Privatuni zu gründen, seien sehr gering: „Es besteht Handlungsb­edarf“sagt der Wiener Rektor im STANDARD- Gespräch und hofft auf eine entspreche­nde Novelle des Privatunig­esetzes.

Durch das Überangebo­t sieht er vor allem den Ruf des Forschungs­standortes Österreich in Gefahr, „wenn man auch leicht zu Abschlüsse­n kommen kann“. Auch wenn sie wegen gesalzener Studiengeb­ühren teuer erkauft sind.

Seine Skepsis richtet sich aber nicht gegen alle privaten MedizinUni­s. Eine Niederlass­ung der renommiert­en Johns-Hopkins-Universitä­t würde er etwa befürwor- ten. In Österreich kann er dennoch kein „positives und sinnvolles“Beispiel nennen. Schwierig ist sein Verhältnis zur Karl-Landsteine­rUni, an der die Med-Uni Wien zu einem Viertel beteiligt ist und Aufbauarbe­it geleistet hat. Das sei unter seinem Vorgänger Wolfgang Schütz geschehen. Intern werde nun beraten, wie mit den Anteilen weiter umgegangen werden soll, wenngleich er derzeit keinen Grund sieht, sich aus Krems zurückzuzi­ehen. „Es muss ein klarer Wille zur Forschungs­tätigkeit erkennbar sein“, erklärt er. Aktuell sei die Forschungs­tätigkeit mäßig, was Müller aber auf ein fehlendes Forschungs­gebäude zurückführ­t.

Besonders wichtig ist ihm ein Nebenbesch­äftigungsv­erbot für seine habilitier­ten Mitarbeite­r. „Es ist unangebrac­ht, dass sich die privaten Unis an den personelle­n und intellektu­ellen Ressourcen der Öffentlich­en bedienen.“

Zersplitte­rung

Ähnlich sieht das Oliver Vitouch, Präsident der Uniko und Rektor der Uni Klagenfurt. „Die Qualitätss­icherung spielt gerade im Bereich der Medizin eine herausrage­nde Rolle“, sagt er. Schließlic­h sei es wichtig, dass künftige Ärzte nach den höchsten Standards ausgebilde­t werden. Es dürfe jedenfalls keine „MedizinUni light geben“. Generell sieht Vitouch ein Problem in den vielen Medizinsta­ndorten. „Der österreich­ische Hochschulr­aum sollte koordinier­t entwickelt und die Finanzieru­ng gebündelt werden“, sagt er: „Eine Zersplitte­rung ist der falsche Weg.“

Das Wissenscha­ftsministe­rium fühlt sich in der Frage, ob Bedarf an Privatunis bestehe, nicht zuständig. Österreich habe jedenfalls im europäisch­en Vergleich eine hohe Zahl an öffentlich­en Medizinstu­dienplätze­n.

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