Der Standard

Ehrgeizige Agenda, wenig Optimismus

Syriens Machthaber Bashar al-Assad kann sich bei den Genfer Friedensge­sprächen auf Russland verlassen. Die Lage ist jedoch komplizier­t, und eine kohärente Strategie der USA ist nicht in Sicht.

- Jan Dirk Herbermann aus Genf

Der blutige Konflikt in Syrien geht Mitte März in sein siebentes Jahr. Nun versuchen sich die Vereinten Nationen erneut als Friedensst­ifter: Heute, Donnerstag, soll in Genf eine weitere UN-Gesprächsr­unde der Konfliktpa­rteien beginnen. Auf der Agenda stehe ein „politische­r Übergangsp­rozess“, sagte Michael Contet, Stabschef von Staffan de Mistura, dem Syrien-Sondergesa­ndten der UN. Konkret soll es um die Schaffung einer glaubwürdi­gen Regierung, die Ausarbeitu­ng einer Verfassung und die Abhaltung freier Wahlen gehen. So lautet jedenfalls der ehrgeizige Plan.

Ob die Gespräche von Staffan de Mistura mit Vertretern des Regimes von Bashar al-Assad und dem Hohen Verhandlun­gskomitee, dem opposition­ellen Dachverban­d, tatsächlic­h am Donnerstag beginnen, blieb zunächst offen. Contet lehnte es ab, das Datum zu bestätigen. Zuvor hatte schon UNGenerals­ekretär António Guterres gesagt, er „hoffe, dass Genf möglich“wird.

Neu wäre eine Verschiebu­ng von Syrien-Gesprächen nicht: In den vergangene­n Jahren mussten die UN mehrmals vereinbart­e Termine verlegen.

Doch egal ob die Konferenz der Todfeinde pünktlich startet oder nicht: UN-Generalsek­retär António Guterres dämpfte die Hoffnungen auf einen Durchbruch: Hinsichtli­ch einer kurzfristi­gen Lösung sei er „nicht optimistis­ch“.

Zentraler Streitpunk­t bleibt die Zukunft des Gewaltherr­schers Assad und seiner Komplizen. Opposition­elle bestehen auf einer Absetzung Assads zu Beginn eines Übergangsp­rozesses. Die Emissäre des Diktators aber weisen sogar Überlegung­en hinsichtli­ch einer Teilung der Macht brüsk von sich. Nach wie vor bezeichnen die Assad-Leute alle Rebellengr­uppen als Terroriste­n, die zu vernichten seien. Nach den letzten militärisc­hen Erfolgen dürfte die Clique in Damaskus noch weniger gewillt sein, über ihr eigenes Aus zu verhandeln. Dabei kann sich Assad auf Russland verlassen. Moskau stützt das Regime militärisc­h und politisch.

Viele strategisc­he Interessen

Während sich die Russen klar positionie­ren, sorgen die USAmerikan­er für Unsicherhe­it. Eine kohärente Syrienstra­tegie unter dem neuen Präsidente­n Donald Trump ist nicht zu erkennen. In ungewohnt offener Form griff de Mistura die US-Regierung deshalb an: „Wo sind die Vereinigte­n Staaten?“fragte er. „Ich weiß es nicht.“

Ohne die USA dürfte eine langfristi­ge stabile Friedensor­dnung für Syrien kaum denkbar sein. Und je länger die Trump-Administra­tion über einem Plan für das Bürgerkrie­gsland brütet, desto mehr könnten die Russen versuchen, das Heft in die Hand zu nehmen. Das gilt ebenso für die Regionalmä­chte Iran, Saudi-Arabien und Türkei. Sie verfolgen in dem Verhandlun­gspoker eigene strategisc­he Ziele und machen de Misturas Job damit noch schwierige­r.

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Syriens Infrastruk­tur wurde im jahrelange­n Bürgerkrie­g bereits schwer in Mitleidens­chaft gezogen.

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