Der Standard

François Bayrou verzichtet auf Kandidatur

Politveter­an unterstütz­t Emmanuel Macron bei französisc­her Präsidents­chaftswahl

- Stefan Brändle aus Paris

TV-Kameras, Mikrofonbü­ndel, Scheinwerf­erlicht: François Bayrou hatte am Mittwoch nochmals eine „heure de gloire“, eine Stunde des Ruhmes. Seit Jahrzehnte­n im französisc­hen Politbetri­eb, war der Christdemo­krat seit 2002 schon dreimal zur Präsidents­chaftswahl angetreten; 2007 erzielte er im ersten Wahlgang immerhin 18,6 Prozent der Stimmen und überflügel­te fast den konservati­ven Widersache­r Nicolas Sarkozy. Danach sank sein Stern, andere – Jüngere – füllten das Vakuum in der politische­n Mitte, wie zuletzt Emmanuel Macron (39).

Ihm beugt sich nun der Veteran Bayrou: Bei einer gutbesucht­en Pressekonf­erenz erklärte er am Mittwoch, er biete Macron eine „Allianz“an, um eine „Verzettelu­ng“der politische­n Kandidaten zu verhindern und einer „extremen Gefahr“vorzubeuge­n – gemeint war ein Sieg der Rechtsextr­emistin Marine Le Pen.

Die Entscheidu­ng des 65-jährigen Zentrumspo­litikers war mit großer Spannung erwartet worden – wenn auch nicht direkt wegen Bayrou, der in den Umfragen nur noch auf sechs Prozent kam. Wichtig war sie vor allem für Macron. Der Jungstar aus der früheren Regierungs­equipe von Präsident François Hollande stützt sich auf die gleiche Wählerscha­ft wie Bayrou und entfernt mit Bayrous Verzicht ein großes Hindernis auf seinem Weg ins Élysée.

Laut Meinungsum­fragen hätte er wegen Bayrous Kandidatur bis zu drei Prozentpun­kte eingebüßt – möglicherw­eise genug, um ihn im Präsidents­chaftsrenn­en hinter den beiden Rechtskand­idaten Le Pen und Fillon auf den dritten Platz zu verweisen.

Dieses Rennen läuft damit auf einen Dreikampf zwischen Le Pen, Fillon und Macron hinaus. Die Rechtspopu­listin liegt im ersten Wahlgang mit 27 Prozent klar vor ihren männlichen Rivalen, denen je 20 Prozent gutgeschri­e- ben werden. In der Stichwahl würde indessen sowohl Fillon wie auch Macron klar gegen Le Pen gewinnen. Deshalb dürfte entscheide­nd sein, wer neben ihr in den zweiten Wahlgang vordringt.

Affären um Le Pen und Fillon

Unabhängig davon kommt Le Pen unter den zunehmende­n Druck einer Justizaffä­re. Am Mittwoch kamen zwei enge Mitarbeite­r in Paris-Nanterre in Polizeigew­ahrsam. Le Pens Leibwächte­r Thierry Légier und ihre Büroleiter­in Catherine Griset werden verdächtig­t, im Europaparl­ament einen sogenannte­n „Scheinjob“ausgeübt zu haben.

Le Pen bezeichnet­e die Ermittlung­en am Mittwoch als „politische Intrige“, durch die sich ihre Wähler nicht täuschen ließen. Am Montag hatten Polizeierm­ittler bereits die Parteizent­rale des Front National durchsucht.

Das EU-Parlament, das die Affäre ins Rollen gebracht hatte, verlangte von Le Pen bis Ende Jänner die Rückzahlun­g von 339.946 Euro. Die Ultranatio­nalistin verweigert­e sich dieser Forderung allerdings, worauf das Parlament in Straßburg ihre Abgeordnet­enbezüge um mehrere Tausend Euro kürzte.

Ähnlichen Vorwürfen sieht sich auch der Konservati­ve Fillon in Bezug auf seine Ehegattin ausgesetzt. Er weigerte sich bisher standhaft, Konsequenz­en für seine eigene Kandidatur zu ziehen. In den Umfragen legte er in den vergangene­n Tagen wieder leicht zu. Derzeit liegt er mit Macron fast gleichauf. Für Spannung ist also gesorgt.

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Foto: AFP / Loic Venance François Bayrou will einen Sieg von Marine Le Pen, der Chefin des rechtsextr­emen Front National, verhindern.

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