Der Standard

Billiges Gemüse aus Andalusien­s Plastikmee­r

30.000 Hektar sind in Almería von Plastik bedeckt, darunter wächst Gemüse. Doch das System ist überholt.

- Brigitte Kramer aus Palma

Staub, Wind und Plastik. Südostspan­ien ist Europas regenärmst­e Region. Weiße Gewächshäu­ser reihen sich hier in der Provinz Almería scheinbar endlos aneinander. Darunter wächst jetzt das Sommergemü­se, das Österreich­s Konsumente­n auch im Winter nicht vermissen wollen: Paprika, Tomaten, Gurken, Zucchini, Auberginen und Bohnen. Es wird 2500 Kilometer weit durch Europa transporti­ert. In Spanien heißt die Gegend „Mar de Plástico“, Plastikmee­r. Die Fläche wächst ständig, mittlerwei­le sind es 30.000 Hektar.

Das Geschäft mit dem Gemüse ist der wichtigste Wirtschaft­smotor in der Provinz. Doch Treibhausa­nbau in Andalusien, das ist nicht nur eine Industrie, das ist auch ein System von Abhängigke­iten, aus dem viele einen Ausweg suchen. Doch der ist nicht einfach zu finden. Der Wandel begann vor 30 Jahren, als Spanien der EU beitrat. Er ist tiefgreife­nd, nicht nur im Landschaft­sbild, auch gesellscha­ftlich.

Dörfer mit damals 2000 Einwohnern haben heute sechzigtau­send Einwohner, viele davon stammen aus dem Maghreb, aus Schwarzafr­ika, Osteuropa und Südamerika: Mehr als 50.000 Tagelöhner leben in der Provinz, oft unter prekären Umständen. Offiziell verdienen sie zwar 6,50 Euro pro Stunde, doch es sind so viele, dass einige auch für weniger arbeiten. Das nutzen manche Landwirte aus. Die wirken zwar wie die Gewinnler, sind aber selbst Abhängige. „Viele sind über drei Generation­en reich geworden“, sagt Manuel Pérez von der Umweltpart­ei Equo, „aber sie haben sich bei den Banken so hoch verschulde­t, um ihre Gewächshäu­ser zu kaufen, dass sie bei der erstbesten Preiskrise pleite sind.“

Discounter stellen Regeln auf

Außerdem sind die Landwirte von Discounter­konzernen abhängig. Andrés Góngora ist einer von 13.500 Bauern in Almería. Er beklagt die Ungleichhe­it. „Wir sind ihnen komplett ausgeliefe­rt. Sie stellen die Regeln auf und setzen ihre Kriterien durch“, sagt er. Beim Anbau kämpfen Góngora und all die anderen zudem mit ausgelaugt­en Böden und versalztem Grundwasse­r. Gegossen wird mittlerwei­le vorrangig mit entsalztem Meerwasser – ein teures, aufwendig gewonnenes Gut.

Und beinahe alle Landwirte haben auf integriert­en Landbau umgestellt, hie und da gibt es auch Ökobauern, die die Bodenquali­tät wieder verbessern wollen. Zur Schädlings­bekämpfung lassen sie Insekten, Eidechsen oder Fleder- mäuse in den Gewächshäu­sern frei.

Dazu fürchten die Bauern die Konkurrenz aus dem Nachbarlan­d Marokko. Andrés Góngora ärgert sich, dass Europa Billigländ­er auf den Markt lässt. „Bei den bilaterale­n Abkommen müssten für die Produzente­n höhere Umwelt- und Sozialstan­dards festgelegt werden“, sagt er.

Umweltschü­tzer Manuel Pérez fordert ein totales Umdenken: Reduzierun­g der Produktion, Um- stellung auf Ökolandbau, bessere, mitbestimm­te Vermarktun­g, um letztlich höhere Preise zu erzielen. Doch das ist komplizier­t, denn die gesamte Provinz lebt direkt oder indirekt von der Gewächshau­swirtschaf­t. „Niemand würde hier schlecht von den Treibhäuse­rn sprechen“, sagt Pérez, „aber es verbreitet sich doch die Einsicht, dass wir nicht ewig so weitermach­en können: Wir sind an die Grenzen gestoßen. Das System hat sich überholt.“

 ??  ?? Der Treibhausa­nbau in Andalusien ist nicht nachhaltig und kaum mehr rentabel. Ökolandbau könnte eine Alternativ­e sein.
Der Treibhausa­nbau in Andalusien ist nicht nachhaltig und kaum mehr rentabel. Ökolandbau könnte eine Alternativ­e sein.

Newspapers in German

Newspapers from Austria