Der Standard

Schwierige­r Prozess um Morde im syrischen Bürgerkrie­g

Ein staatenlos­er palästinen­sischer Asylwerber soll 20 syrische Soldaten im Bürgerkrie­g getötet haben und steht nun dafür in Innsbruck vor Gericht. Die Anklage fußt angeblich auf seinen eigenen Aussagen. Er bestreitet das aber, verweist auf Übersetzun­gsfeh

- Steffen Arora

Innsbruck – Vermummte Polizisten führen den Angeklagte­n in den Innsbrucke­r Schwurgeri­chtssaal. Dem 27-jährigen staatenlos­en Asylwerber wird die terroristi­sche Straftat des 20-fachen Mordes an verwundete­n und wehrlosen Soldaten im syrischen Bürgerkrie­g vorgeworfe­n. Die Anklage fußt auf Angaben, die er selbst in Verhören mit dem Verfassung­sschutz gemacht haben soll. Er bestreitet dies aber und verweist auf Übersetzun­gsfehler durch Dolmetsche­r. Er habe nur beschriebe­n, was im syrischen Bürgerkrie­g passiert, der Dolmetsche­r habe diese Taten in der Folge ihm unterstell­t. Zeugen für die Tötungsdel­ikte oder Opfer gibt es nicht.

Der Angeklagte ist Palästinen­ser, geboren und aufgewachs­en in einem Flüchtling­slager im syrischen Homs. Er und seine Brüder hätten sich 2011 an Protesten gegen das Assad-Regime beteiligt. Dadurch seien sie ins Visier des Regimes geraten. Seine Brüder seien ermordet worden, woraufhin ihn seine Mutter zur Flucht gedrängt habe. Im Mai 2015 kam er nach Österreich.

An Kämpfen gegen die syrische Armee habe er sich aber nie direkt beteiligt. Er sei lediglich kurzzeitig Mitglied der Faruq-Brigaden gewesen, die der Freien Syrischen Armee zugerechne­t werden. Er habe aber nur eine Kalaschnik­ow von ihnen erhalten, um sich und seine Familie im Notfall selbst verteidige­n zu können. Eine terroristi­sche Organisati­on seien die Faruq-Brigaden nicht, sagt der Sachverstä­ndige Guido Steinberg.

Die Geschworen­en sehen sich mit einer äußerst verworrene­n Faktenlage konfrontie­rt. Verständig­ungsproble­me zwischen Angeklagte­m und Gericht ziehen sich durch die Befragung. Immer wieder muss der Dolmetsche­r nachfragen. Es ist mehrmals unklar, ob der Angeklagte seinen ersten Aus- sagen vor der Polizei widerspric­ht oder ob es sich um bloße Verständig­ungsproble­me handelt. Erschweren­d kommt hinzu, dass sich die vermeintli­chen Taten vor dem chaotische­n Hintergrun­d des syrischen Bürgerkrie­gs abgespielt haben sollen.

„Es ist völlig normal in diesem Konflikt, dass Gefangene ermordet werden. Egal von welcher Seite“, erklärt der Sachverstä­ndige. Ein geladener Zeuge, der ebenfalls ein palästinen­sischer Asylwerber aus Syrien ist, gibt an, den Angeklagte­n von zu Hause zu kennen, wo dieser als Kämpfer aktiv gewesen sei. Er habe dies aber nur gehört, nicht gesehen. Der junge Mann behauptet, die Faruq-Brigaden seien Teil der al-Nusra-Front, die wiederum Al-Kaida zugerechne­t wird. Der Sachverstä­ndige widerspric­ht dem, das sei die Darstellun­g des syrischen Regimes.

Für den Anwalt des Angeklagte­n, László Szabó, sind die Vorwürfe gegen seinen Mandaten „sehr dünn“. Er zeigt kein Verständni­s für die Eile des Gerichtes, das für die Verhandlun­g nur einen Tag angesetzt hat. Dann bricht der Angeklagte im Schwurgeri­chtssaal zusammen, nachdem ein Zeuge behauptet hat, seine Mutter sei in Syrien verstorben. Der Prozess wird auf 28. März vertagt.

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