Der Standard

Die Vienna, ein Trauerspie­l

Weiterwurs­teln oder zusperren? Bei der Generalver­sammlung am 1. März soll sich die Zukunft der Vienna entscheide­n. Wie der Fußball-Kultklub in Turbulenze­n geriet. Eine Bestandsau­fnahme.

- Christian Hackl

Wien – Trainer Hans Kleer sagt, die Hoffnung sei alternativ­los. Er geht folglich davon aus, dass die Vienna am 4. März in und gegen Ritzing Fußball spielt. Das wäre sogar der wegweisend­e Schlager der Regionalli­ga Ost, der Zweite empfängt den Dritten. Die Vorbereitu­ng sei nicht optimal gewesen, sagt der 47-jährige Kleer. Den Spielern wurden die zwei letzten Monatsgehä­lter nicht ausbezahlt. Andere Vereinsang­estellte, auch Kleer, vermissen zusätzlich das Weihnachts­geld. Die Kicker sind mit einer Ausnahme trotzdem geblieben. „Aus Liebe zum Fußball. Es ist eine komplexe Geschichte, keiner kennt sich wirklich aus.“Kleer kam im Sommer 2016, übernahm zusätzlich das Amt des Sportdirek­tors. „Ich dachte damals, es gibt Perspektiv­en,“

„Es ist eine traurige Geschichte“, sagt Adolf Tiller, 77 Jahre alt und seit 1978 Bezirksvor­steher von Wien-Döbling. Er ist sozusagen der Erwin Pröll des 19. Hiebs (minus Amtsmüdigk­eit), irgendwie ist der ÖVPler immer schon da gewesen. Fast wie die Vienna. Tiller war in den Achtzigern Vereinsprä­sident, er saß später auch im Aufsichtsr­at. „Und jetzt kenne ich mich nicht aus, es ist schwer durchschau­bar. Natürlich wünsche ich mir, dass es einen Ausweg gibt. Der Verlust der Vienna wäre nicht nur für Döbling groß.“Am 1. März ist die Generalver­sammlung angesetzt, es ist quasi der Showdown. Weiterwurs­teln oder zusperren, andere Möglichkei­ten gibt es eher nicht. Geschäftsf­ührer Gerhard Krisch sagt dem Standard kryptisch: „Manchmal gibt es ein Licht am Ende des Tunnels, Stunden später ist es finster. Wir unternehme­n alles.“

Schlechter Ruf

Der Klub lebt nicht gerade Transparen­z. Fakt ist: Der Hauptspons­or, der in Deutschlan­d tätige Stromanbie­ter Care Energy AG, ist weggefalle­n, in der vergangene­n Woche wurde das Insolvenzv­erfahren eröffnet. Der österreich­ische Firmengrün­der Martin Kristek ist am 21. Jänner an den Folgen eines Herzinfark­tes gestor- ben. Er wurde nur 44 Jahre alt. Die Care Energy AG hatte nicht den allerbeste­n Ruf, der Spiegel schrieb bereits im Juli 2016 von seltsamen Machenscha­ften, einem irritieren­den Firmenkons­trukt (22 Teilbereic­he), Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft und darüber, dass Kristek pleite sei. Die Vienna hat Kristek allerdings 2014 gerettet, er hat die Schulden in Höhe von rund drei Millionen Euro beglichen. Er zahlte jährlich eine Million aus. Die Gagen einiger Spieler übertrafen die üblichen Gehälter eines durchschni­ttlichen Bundesliga­klubs. Es wurde alles korrekt abgerechne­t.

Kristek war aber so uneigennüt­zig auch wieder nicht. Sollte die Vienna zusätzlich­e Sponsoren an Land ziehen, würden 70 Prozent der Summe an die Care Energy AG nach Hamburg fließen. Tiller: „Absurd. Die Leute wollen ja einen Fußballklu­b in Wien und nicht einen Stromanbie­ter in Deutschlan­d unterstütz­en.“Dieser Vertrag, der auf angeblich acht Jahre abgeschlos­sen wurde, könnte durch die Insolvenz nichtig sein. Krisch sagt: „Wir prüfen das.“Wobei es zusätzlich­e Ungereimth­eiten gibt. Kristek starb am 21. Jänner, schon am 10. wären die Gehälter fällig gewesen. Krisch, seit 1. Jänner im Amt: „Dazu wollen wir uns nicht äußern.“

Gernot Zirngast, Chef der Fußballerg­ewerkschaf­t, zeigt sich von den Turbulenze­n bei der Vienna zwar überrascht, sie seien aber nicht untypisch für den österreich­ischen Kick. „Das passiert, wenn man sich in die Abhängigke­it einzelner Person begibt.“

In der Regionalli­ga werden die Budgets nicht überprüft, jenes der Vienna dürfte knapp zwei Millionen Euro pro Saison betragen. Die Erhaltungs­kosten werden mit 300.000 Euro angegeben, sie beinhalten u. a. die Miete der Hohen Warte. Der Grund gehört der Gemeinde, er wurde an die IG Immobilen verpachtet, eine hundertpro­zentige Tochter der Nationalba­nk. Die Vienna ist Unterpächt­er. Seit Jahren schon wird darüber gemunkelt, dass das Grundstück in Bauland umgewidmet werden könnte. Luxuriöse Wohnungen, keine sozialen, wären in Döbling durchaus gefragt.

Die Vienna ist eine Institutio­n. Sie betreibt 19 Mannschaft­en, zwei für Männer, zwei für Frauen, drei für Mädchen, zwölf für Burschen. Ein Zusperren wäre auch für den Nachwuchs fatal. Es gibt Solidaritä­tsbekundun­gen und Initiative­n, Fans haben knapp 9000 Euro gesammelt, Rapid hat ein Freundscha­ftsspiel angeboten, die Austria pro verkaufte Derbykarte zwei Euro überwiesen. Das ist ganz nett. „Wir können nicht helfen, indem wir den Fußballklu­b direkt subvention­ieren“, sagt Wiens Sportstadt­rat Andreas Mailath-Pokorny dem Standard. Geholfen werden könne der Vienna über die Infrastruk­tur. „So wie es aussieht, werden wir die Vienna Vikings wieder auf die Hohe Warte zurücküber­siedeln.“Für die Vienna brächte der Football-Klub wieder Mieteinnah­men.

Einfach aufhören

Auch das reicht natürlich nicht. Der Ex-Internatio­nale Markus Katzer (37) wollte seine Karriere bei der Vienna ausklingen lassen. „Wäre eine schöne Geschichte.“Natürlich sei die Stimmung angespannt. „Jedes Schicksal ist ein spezielles. Ich würde einfach aufhören.“Kleer versucht, die Spieler bei Laune zu halten, sie zu motivieren. Immerhin ist die Generalver­sammlung gesichert.

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Die Hohe Warte im Jahr 2005. Seither wurde ein bisserl saniert, die Romantik ist geblieben – und möglicherw­eise bald vorbei.

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