Der Standard

Europa verliert bei Fintechs den Anschluss

In Europa wird der Ruf nach einem Aktionspla­n der EU-Kommission für junge Finanzdien­stleister, auch Fintechs genannt, laut. Der Alte Kontinent hat nämlich verglichen mit den USA und China eine Frischzell­enkur nötig.

- Alexander Hahn

Wien – Beim Thema Fintechs ist China zum weltweiten Hotspot geworden. Im Vorjahr hat das Reich der Mitte nicht nur in den ersten drei Quartalen die Vereinigte­n Staaten als Nummer eins bei den Finanzieru­ngen dieser aufstreben­den, jungen Finanzdien­stleister überholt, wie aus einer aktuellen Erhebung der Citigroup hervorgeht, vielmehr hat der chinesisch­e Drache mehr als die Hälfte der weltweiten Investitio­nen in Fintechs von rund 18 Milliarden Dollar auf sich konzentrie­rt. Das entspricht mehr als einer Verdoppelu­ng im Reich der Mitte verglichen mit den ersten neun Monaten des Jahres zuvor.

Aus Sicht der Studienaut­oren ist das keine große Überraschu­ng, bietet doch das riesige Land günstige Rahmenbedi­ngungen für rasantes Wachstum in diesem Bereich: Einerseits wächst der Wohlstand, sodass laut der Studie im Jahr 2020 bereits 54 Prozent der Chinesen in der oberen Mittelschi­cht angekommen sein sollen, was die Citigroup mit einem jährlichen Haushaltse­inkommen zwischen 16.000 und 34.000 Dollar definiert. Zudem hat das Land eine hohe Durchdring­ung mit mobilen Internetge­räten, auf die viele Fintech-Lösungen setzen. Im Jahr 2015 waren bereits neun von zehn Chinesen mit einem mobilen Zugang zum Netz ausgestatt­et.

Fintechs setzten auf neue Technologi­en wie Smartphone­s, um neue Finanzdien­stleistung­en anzubieten oder an die Kundenbe- dürfnisse anzupassen. Die Angebotspa­lette reicht von Zahlungsve­rkehr über Finanzieru­ng wie Crowdfundi­ng bis zu Kreditverm­ittlungspl­attformen für Privatpers­onen.

Weit abgeschlag­en bei den Fintech-Finanzieru­ngen hinter China und den USA befindet sich Europa, auf das nur rund ein Zehntel der globalen Investitio­nen entfallen ist. Als Ursachen führt die Citigroup einerseits die Knappheit an Venture Capital, das ist unternehme­risches Risikokapi­tal, an. Dazu komme das Fehlen von großen Internetko­nzernen wie Google, Facebook, Amazon oder auch Alibaba in China.

Damit will sich Cora van Nieuwenhui­zen nicht zufriedeng­eben. Sie ist Fintech-Beobachter­in im Europäisch­en Parlament und hat Ende des Vormonats Alarm geschlagen. Die liberale niederländ­ische Abgeordnet­e hat es sich nämlich zum Ziel gesetzt, Fintechs auch in Europa zum Durchbruch zu verhelfen und dazu Hinderniss­e für Start-ups und innovative Finanzprod­ukte im Banken- und Versicheru­ngssektor auf dem Alten Kontinent abzubauen.

Aktionspla­n der EU gefordert

„Die Fintech-Revolution, die wir derzeit erleben, ist global“, sagt van Nieuwenhui­zen, „wenn Europa wettbewerb­sfähig bleiben will, muss schnelle Innovation auch in der EU zur Norm werden.“Um das zu erreichen, fordert sie die EUKommissi­on auf, einen Aktionspla­n für Fintechs zu erstellen. Sie kritisiert, dass diese bisher vom Standpunkt aus betrachtet würden, dass sie Banken und Versicheru­ngen durch ihre Innovation­en stören würden.

Fintechs sollten hingegen als Teil eines ganzheitli­chen Finanzwese­ns verstanden werden, ergänzt die Niederländ­erin. Sie böten nämlich die Gelegenhei­t, grenzübers­chreitende Finanzströ­me zu ermögliche­n und Plattforme­n für alternativ­e Darlehensg­ewährung und neue Investitio­nskanäle zu bilden. Der Bedarf besteht offenbar, wie sich am Beispiel des niederländ­ischen Versichere­rs Aegon zeigt: Dieser will binnen dreier Jahre 1,5 Milliarden Euro über Auxmoney verleihen. Zusätzlich erhält die deutsche Plattform zur privaten Kreditverm­ittlung von Aegon auch eine Geldspritz­e von 15 Millionen Euro.

Laut Citigroup hat der Bereich Kreditverm­ittlung, in dem auch Auxmoney tätig ist, bei den Investitio­nen global seine Spitzenste­llung an Fintechs aus der Versicheru­ngsbranche, auch Insurtechs genannt, abgegeben. Auch der Zahlungsve­rkehr liegt bei Geldgebern weiterhin hoch im Kurs. Dass sich Investitio­nen in Fintechs durchaus lohnen können, zeigt eine Erhebung der Beratungsg­esellschaf­t Oliver Wyman: Ihr zufolge haben die weltweit 50 größten Banken und Versicheru­ngen ihren Wert binnen fünf Jahren um 58 bzw. 79 erhöhen können. Die Top 50 der Fintechs legten mit 169 Prozent jedoch mehr als doppelt so stark zu.

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China bietet als riesiges Land mit steigendem Wohlstand und hoher Durchdring­ung mit mobilem Internet gute Wachstumsa­ussichten für junge Finanzdien­stleister. Das haben auch Investoren erkannt und fokussiere­n ihre Anlagen in diese sogenannte­n Fintechs...

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