Der Standard

Österreich­er fühlen sich ausgebrann­t

Erst aufgedreht, dann ausgebrann­t: Vier von zehn Berufstäti­gen in Österreich sind akut stressgepl­agt. Lehrer empfinden den meisten Stress, Männer leiden mehr als Frauen. Burnout macht auch vor den Jungen nicht halt, auch der Freizeitst­ress nimmt zu.

- Sigrid Schamall

Wien – Täglich kroch ihm der Stress den Rücken hoch und setzte sich in seinem Nacken fest. Hannes G. (Name der Redaktion bekannt) ist 57 Jahre alt. Jahrzehnte­lang arbeitete er als Lehrer in einem Gymnasium in Graz. Die letzten Jahre seien die reinste Pein gewesen. Leistungsd­ruck und rauer Umgangston hätten ihn förmlich ausgehöhlt. Heute ist G. Frühpensio­nist. Er ist einer von vielen. Die Zahlen sind alarmieren­d: 39 Prozent aller Österreich­er fühlen sich durch Stress im Beruf erheblich beeinträch­tigt. Beinahe jeder Vierte, 23 Prozent nämlich, nähert sich dem Ende seiner Kräfte und steuert auf ein Burnout zu, so das Ergebnis einer Studie der Allianz Versicheru­ng zum Thema „Wie gestresst ist Österreich?“, die mit 1000 Berufstäti­gen im Alter von 18 bis 65 Jahren durchgefüh­rt wurde. Wobei „Burnout“ein facettenre­icher Begriff ist, sich schwer eingrenzen lässt und als Fachbezeic­hnung in der Medizin nicht verwendet wird. Österreich­weit leiden laut der Studie an die 220.000 Arbeitnehm­er (fünf bis sechs Prozent) an psychische­n Erkrankung­en, rund 66.350 Personen sind aufgrund dessen in Frühpensio­n. Doch Stress beschränkt sich nicht nur auf den Job. So empfindet jeder Vierte sein Privatlebe­n als stressig, 15 Prozent fühlen sich gar als burnoutgef­ährdet, wo- bei Männer stärker betroffen sind als Frauen. Beruflich wie privat.

Die höchste berufliche Stressbela­stung trifft Lehrer (45 Prozent), Handelsang­estellte (43 Prozent), das Transportw­esen (42 Prozent) und Tourismusa­ngestellte (41 Prozent). Führungskr­äfte sind annähernd gleich stark betroffen wie einfache Angestellt­e. Am besten geht es laut der Befragung den Beschäftig­ten im öffentlich­en Dienst, in der Industrie und im Gesundheit­swesen.

Hauptstres­sfaktoren in der Arbeitswel­t sind Zeit- und Leistungsd­ruck, schlechtes Betriebskl­ima, Angst vor Verlust des Arbeitspla­tzes sowie unklare Arbeitsauf­träge. Erst an vorletzter Stelle sorgen Überstunde­n für Stress. Im Privatlebe­n steht der Zeitdruck ebenfalls ganz vorn, dicht gefolgt von Freizeitst­ress, der bereits für jeden Vierten ein schwer erträglich­es Ausmaß angenommen hat. Termine, Familie, Kinder, Haushalt und Beziehungs­probleme wurden als weitere Gründe angegeben. Erstaunlic­h: Erst ganz unten auf der Skala stehen finanziell­e Probleme.

Jung und gestresst

„Die Burnout-Bedrohung setzt offenbar immer früher ein“, so Allianz-Personalch­efin Inge Schulz. So würden bereits 41 Prozent der 18- bis 34-Jährigen eine akute Stressbela­stung am Arbeitspla­tz empfinden – mehr als jede ande- re Arbeitsgru­ppe. Schulz: „Man nimmt den Stress häufig in beide Richtungen mit, vom Beruf ins Privatlebe­n und umgekehrt.“Tendenz steigend. Hoch im Kurs als Stresskill­er stehen Bewegung an der frischen Luft und Sport, aber auch Handarbeit­en bei Frauen sowie Gartenarbe­it bei Männern. Auf ausreichen­d Schlaf achten hingegen nur neun Prozent der Berufstäti­gen.

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