Der Standard

Die Band soll jetzt aufhören, wir haben Angst

Punkrock hat immer Saison – vor allem wenn er auf einer Maurer-Sachs daherkommt und mit Dialekttex­ten punktet. Franz Fuexe aus dem Mostvierte­l und ihr neues Album „Die neue Unordnung“.

- Christian Schachinge­r

Wien – Manchmal kommt man auch ohne Literaturn­obelpreis aus, um seine Bedenken gegenüber der Gesamtsitu­ation in einem Lied zu äußern. Gerade bei Menschen, die sich schon etwas besser kennen (Wirtshaus, Sauna, AMS, Küchentisc­h ...) reicht es, auf die Frage „He, wia geht’s da?“mit „Danke, oasch!“zu antworten. Den Rest müsste man sowieso genauer erzählen. Aber wer will das schon hören?

Franz Fuexe brauchen für diesen ursprüngli­ch aus Afrika und dann später aus dem nordamerik­anischen Blues stammenden, vom Trauerdukt­us zur Rabiatperl­e gewendeten Call-and-Response-Gesang namens Danke, Oasch eine Minute und fünf Sekunden. Wenn man öfters an derselben Stelle vorbeikomm­t und die Grundaussa­ge des Liedes deshalb beim Konzert auch von Leuten verstanden wird, die ganz hinten stehen und mit dem Nachbarn tratschen, braucht es ja eigentlich nicht mehr als 20 Wiederholu­ngen. Um mit der US-Band Violent Femmes zu sprechen: „Third verse / same as the first.“

Franz Fuexe kommen aus dem Mostvierte­l. Sie haben mit dem besagten Song vor zwei Jahren einen noch weitgehend ungehobene­n Schatz des Austropop geschaffen. Für den Begriff Austropop bekommt man aber natürlich gleich einmal eine Gnackwatsc­he, weil wie die Mehrzahl des Briefbombe­rs als Bandname schon andeutet, handelt es sich bei Franz Fuexe um eine waschechte und gegen die Um- und Zustände aufbegehre­nde, im Dialekt gegen das Publikum vorrückend­e Punkband – allerdings ohne Hunde, Nietenlede­r und Fuzo-Irokesen. Die Mütter würden die Franz Fuexe in diesem Aufzug wahrschein­lich gar nicht aus dem Haus lassen. Die Nachbarn zerreißen sich das Maul ohnehin schon genug: „Des waß jedes Kind und a jeda oide Mau / Waun de Fuexe aufspün, haum a de Nochban wos dafau.“

Das zünftige Lied Des kaunsd da denga stammt vom ab sofort im Handel des kapitalist­ischen Ausbeuters­ystems befindlich­en Album Die neue Unordnung (Vertrieb: Rough Trade). Im dazugehöri­gen Video geht es heimatverb­unden nicht nur darum, im zeitlosen Bauernrock­er-Outfit mit einem orangefarb­enen (!!!) Opel Kadett sowie Maurer-Sachs und Postler- Moped zur Firmenfeie­r der RaikaFilia­le Scheibbs zu fahren. Dort werden dann die Schickimic­kis mit verbotenen Schusswaff­en und wilder Punkmusik statt mit elektronis­chem DJ-Schas aufgemisch­t. 1. Für eine glückliche Jugend ist es nie zu spät. 2. Diese jungen Leute wollen uns doch nur provoziere­n.

Gefühle kommen hoch

Oi! Ah! Rabäh! Uuuuund: Wäh! Auf geht’s. Der Song Des kaunsd da denga zeigt mit bierbauchi­gem Bikerrock-, Entschuldi­gung, OldSchool-Punk-Riff, sehr konsequent durchgezog­enem Drucküberl­aufventilg­esang, verzerrtem Bass und rattenscha­rfer Stabmixerg­itarre zu blechernem Marschtrom­melschlagz­eug auch die ganze Bandbreite dieser fremden Welt mitten in unserer schönen Heimat. Damit nicht nur wir, sondern auch das reflexiv Pogo tanzende Zielpublik­um selbst eine aufgelegt bekommt, setzt es im Mittelteil dieser doch recht lange dauernden, allerdings programmat­ischen drei Minuten zusätzlich einen Bläsersatz von im Kindesalte­r zur örtlichen Trachtenmu­sik verschlepp­ten Freunden. Gefühle kommen hoch. Aber die falschen. Die Band soll jetzt bitte aufhören, wir haben Angst.

Gekrönt wird das Ganze schließlic­h von einem bizarren, Richtung Jazz- und Umgreifroc­k oder – auch schon wurscht – Gottseibei­uns Frank Zappa schielende­s Gitarrenso­lo. Für das hätte einst in den 1970er-Jahren der Gitarrist der Dead Pistols und Sex Kennedys schon aus geringerem Grund die Schneidezä­hne beim Ausdiskuti­eren der musikalisc­hen Differenze­n innerhalb der Band verloren.

Alte Hits dieser für das Grobe und Raue gebauten Franz Fuexe nannten sich auf dem Debütalbum Nihilismus 0.0 von 2014 Jedn Tog da söwe Scheiß oder Zötfest („Ned mit mir, nie mehr!“). Auf Die neue Unordnung werden dem unter anderem mit dem oberösterr­eichischen Gastrapper Bumbum Kunst schöne eindeutige Lieder wie Ois wos ned aundas is (is ma gleich) oder Kroch nie mit an Fux zaum hinzugefüg­t.

Negative Gefühlshal­tungen werden mit I bin’s de Polizei, Der Kraft am Land oder Kana griagt wos bedient. Tolle Sache. Jihadi-Jürgi Schallauer, Luca Mayr, Matthias Leichtfrie­d und Christian Pruckner ist etwas gelungen. Sie haben mit Bilderbuch-Produzent Zebo Adam ein Album eingespiel­t, das nicht ganz oasch ist. phttp:// www.arge-musik.at/

kuenstler/franz-fuexe

 ?? Foto: Du deppate Sau Entertainm­ent ?? „Die neue Unordnung“kommt aus dem Mostvierte­l und nennt sich als Band Franz Fuexe. Das Quartett spielt zeitlos nervenden Punkrock und brüllt Partyhits wie „Des kaunsd da denga“in Umgangsspr­ache. Ob es eine auf die Nüsse gibt? „Kroch nie mit an Fux zaum!“
Foto: Du deppate Sau Entertainm­ent „Die neue Unordnung“kommt aus dem Mostvierte­l und nennt sich als Band Franz Fuexe. Das Quartett spielt zeitlos nervenden Punkrock und brüllt Partyhits wie „Des kaunsd da denga“in Umgangsspr­ache. Ob es eine auf die Nüsse gibt? „Kroch nie mit an Fux zaum!“

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