Wenn die Maschinen übernehmen
Guerrilla Games’ herausragendes Actionepos „Horizon Zero Dawn“entführt in eine traumhaft gefährliche Zukunftswelt, in der nicht die Menschen, sondern Maschinen an der Spitze der Nahrungskette stehen.
Wien – Sollte sich die Menschheit zuvor nicht aus Dummheit selbst in die Luft jagen, stehen die Chancen gut, dass sie eines Tages von den künstlichen Intelligenzen verdrängt wird, an denen sie so eifrig arbeitet. Vor diesem Weltuntergangsszenario warnte Nanotechnologie-Pionier Eric Drexler bereits in den 80ern, und auch ganz aktuell zeigen sich führende Ingenieure wie Elon Musk ob der Gefahren einer Grauen Schmiere oder eines Skynets besorgt.
Die Schöpfer des Open-WorldGames Horizon Zero Dawn zweifeln nicht daran, dass „Terminator and Friends“uns den Garaus machen werden. Anstelle dessen fragten sie sich, wie eine Welt aussehen würde, in der Maschinen längst die Oberhand gewonnen haben. Herausgekommen ist ein bildgewaltiges Actionepos, das Spieler 1000 Jahre in der Zukunft als Kriegerin Aloy mit den Stammesfehden einer an den Abgrund gedrängten Zivilisation genauso konfrontiert wie mit übermächtigen Robotern, die das Land beherrschen.
Wie es das Schicksal so will, wird aus Aloy, die sich aufmacht, um die Geheimnisse dieser Welt zu lüften, ob brutaler Stammeskämpfe eine Heldin, die dank eines kleinen Ansteckcomputers an ihrem Ohr nicht nur Maschinen studieren, sondern auch hinterbliebene Artefakte der hochtechnologisierten Vorfahren verstehen kann.
Spieler dürfen in Aloys Stiefeln einen faszinierenden Ort der Gefahren entdecken. Maschinen so groß wie Häuser überragen die Baumwipfel des Dschungels, Roboterkrokodile lauern an den seichten Flussufern der Canyons, Flugdrachen aus Stahl kreisen über den verschneiten Bergspitzen und feuerspeiende Riesengürteltiere patrouillieren in der Wüste.
Es ist ein umwerfend schöner Survivalspielplatz, den man auf zwei oder vier Beinen erkundet. Für Heilung und Munition müssen Rohstoffe gesammelt werden, und mit allem, was man findet, kann man in den Städten Handel betreiben. Die sich von Biomasse ernährenden Maschinen wiederum warten nur darauf, etwas Frisches zu beißen zu bekommen. Mit Pfeil und Bogen und einem Speer ausgerüstet, schleicht man durchs Gebüsch, sondiert die Lage und bereitet Fallen für die Ungetüme vor, die einen mit nur einem Satz erschlagen können und ungemein wertvolle Rohstoffe versprechen.
Aloys entscheidender Vorteil im Kampf liegt in ihrer Anpassungsfähigkeit. Per Headset kann sie die Maschinen scannen und
GAMES Actionepos 1000 Jahre in der Zukunft
deren Laufroute und Schwachstellen ausmachen. Gezielte Treffer verursachen mehr Schaden und können deren Waffen außer Gefecht setzen und deren Panzerung lösen. Feuerpfeile, Sprengstoff oder elektrisch geladene Stolperdrähte sabotieren die motorischen Fähigkeiten der aggressiv vorpreschenden und in Zickzackkursen ausweichenden Titanen. Keine der Schlachten wird dabei ohne Strategie gewonnen: Kleinere, aber nicht minder gefährliche Raptoren kann man beispielsweise per Lockruf oder Steinwurf von der Herde trennen, um sie lautlos dann aus der Deckung heraus zu überwältigen oder per Hackingmodul so umzupolen, dass sie sich gegen die eigene Spezies richten.
Die Kampagne entführt Aloy in ein Schauspiel der menschlichen und technologischen Albträume und durch ein Museum der jüngeren Videospielgeschichte. Um das Verschwinden einer jungen Frau zu klären, wird Aloy etwa wie Geralt in The Witcher 3 zum Detektiv. Über die Karte verteilte Forts müssen wie in Far Cry eingenommen werden, und riesige Brontosaurierroboter warten darauf, wie die Türme in Assassin’s Creed erklommen zu werden. Die Ähnlichkeiten mit bewährten Konzepten lenken jedoch nur kurz davon ab, dass Horizon seine eigene, kurzweilige Schneise durch das OpenWorld-Genre schlägt.
Der zweigeteilte Handlungsstrang schickt Spieler auf atmosphärische Expeditionen genauso wie in dramatische Schlachten. Anstatt die Suche nach Ressourcen und Antworten durch Repetition in die Länge zu ziehen, werden Survivalaspekte im Vorübergehen eingebunden, um sich auf die wesentlichen Konflikte konzentrieren zu können. Im Fokus des post-postapokalyptischen Jurassic Parks bleiben stets die mächtigen Gegenspieler und das vielseitige Kampfsystem.
Fazit
Horizon Zero Dawn ist ein gigantischer Minimundus bekannter Scifi-Fantasien und Videospielkonzepte. Wenn dieser Mangel an Originalität die größte Schwäche dieses Abenteuers ist, haben die Entwickler von Guerrilla Games enorm viel richtig gemacht. Aloys Kampf gegen Maschinendinosaurier ist in jeder Hinsicht spektakulär und ein forderndes spielerisches Vergnügen. Und die Welt ist so malerisch und mysteriös, dass sie noch lange nach dem Abschalten im Hinterkopf schimmern wird.