Der Standard

Computerkl­asse: Der Beamer ersetzt die Tafel

Am Bundesreal­gymnasium Adolf-Pichler-Platz in Innsbruck ist digitaler Unterricht seit 15 Jahren Realität. In der Praxis kämpfen Schüler wie Lehrer mit Mängeln bei Soft- und Hardware. Außerdem fehlt es an Lehrern, die den Computer in den Unterricht integri

- Steffen Arora

Ein kostenlose­r Laptop für jeden Schüler ab der neunten Schulstufe? In der Klasse 5C am Bundesreal­gymnasium Adolf-Pichler-Platz in Innsbruck kostet die Idee von Bundeskanz­ler Christian Kern Schüler wie Lehrer nur ein müdes Lächeln. „Das wäre schon gut, aber die Frage ist, welches Gerät man dann bekommt“, sind die Schüler skeptisch. „Dafür soll plötzlich Geld da sein, aber überall sonst im Bildungssy­stem wird gespart“, wundert sich auch Deutschleh­rer Robert Matscher. Die Jugendlich­en und ihr Professor wissen, wovon sie reden. Ihre Schule führt seit 15 Jahren eigene Computerkl­assen, die 5C ist eine davon.

Pünktlich um 8.55 Uhr läutet der Gong die zweite Stunde ein. Für die 5C steht Deutsch auf dem Programm. Die meisten Schüler sitzen bereits an ihren Computern, als Lehrer Matscher die Klasse betritt. Ein paar tippen noch eifrig an der Hausübung, während andere entspannt durchs Netz surfen. Mittendrin steht Matscher, dessen ansteckend­e stoische Ruhe den Lärmpegel langsam sinken lässt. „Ich mache mit ihnen alles am PC“, sagt er und schaltet den Beamer ein, der in der Computerkl­asse die Tafel ersetzt.

Doch ganz ausgedient hat das grüne Monstrum noch nicht. Es versteckt sich bloß hinter der Leinwand. Denn auch nach 15 Jahren Computerkl­assen steht und fällt der digitale Unterricht mit den Lehrperso- nen und deren Affinität zur Technik. Daher würde Matscher lieber Investitio­nen in die Pädagogen und deren Ausbildung sehen, als über Gratislapt­ops für jeden zu diskutiere­n. Ein Schüler sieht das ähnlich und berichtet aus seinem Alltag: „In Mathe machen wir gar nichts am Computer, in Englisch manches, in Deutsch und Geschichte alles.“

Technisch möglich wäre vieles. So schreibt die 5C sämtliche Deutschsch­ularbeiten am PC. „Sie bekommen dafür einen eigenen Log-in, und das Netzwerk wird gesperrt“, erklärt Matscher. Es gibt für Hausübunge­n und Tests eigene Ordner, in denen abgelegte Dokumente nicht mehr nachträgli­ch verändert werden können. Vor allem bei den Maturaarbe­iten seien diese Schüler klar im Vorteil gegenüber ihren Kollegen, für die das Schreiben am PC nicht Routine ist. „Und wenn du krank warst, braucht es nur ein paar Mausklicks, um den versäumten Stoff zu kopieren“, sind die Schüler begeistert.

War schon vor 15 Jahren im Trend

Schuldirek­tor Walter Nigg versucht den digitalen Unterricht schon beim Erstellen des Dienstplan­es mitzubeden­ken: „Wir achten sehr darauf, dass in den Computerkl­assen möglichst Lehrer zum Einsatz kommen, die das auch machen wollen.“Doch im Schulallta­g ist das nicht immer möglich. Derzeit fehle es an Aus- und Fortbildun­gsmöglichk­eiten für Pädagogen.

„Als wir die ersten Laptopklas­sen vor 15 Jahren eingericht­et haben, war das gerade im Trend“, erinnert sich der Direktor, „es hat damals sogar Förderunge­n vom Landesschu­lrat gegeben.“Heute finanziert die Schule die Computerkl­assen selbst, Förderunge­n gibt es keine mehr. Die nun propagiert­e Digitalisi­erungsstra­tegie der Bundesregi­erung entlockt Nigg daher nur ein Schulterzu­cken: „Was soll ich dazu sagen?“

Im BRG Adolf-Pichler-Platz haben die Schüler nach der Unterstufe die Wahl zwischen einem Musikschwe­rpunkt, dem klassische­n Oberstufen-Realgymnas­ium sowie der Computerkl­asse. Es gibt insgesamt vier solcher digitaler Klassen, für jede Oberschuls­tufe eine. „Das Problem dabei ist, dass dem Ganzen etwas Elitäres anhaftet“, sagt Lehrer Matscher. Denn die Computerkl­assen haben – aus Gründen des Platzbedar­fs – eine Klassensch­ülerhöchst­zahl von nur 20 Kindern. „Das bedeutet einen besseren Betreuungs­schlüssel, und viele Eltern wollen deshalb ihre Kinder in diesen Zweig schicken“, erklärt Matscher. Derzeit ent- scheidet der Schulerfol­g über die Aufnahme. „Ideal ist das nicht“, sagt der Lehrer.

Die Schüler sind von der Computerkl­asse begeistert. Sie glauben, dadurch einen Startvorte­il gegenüber anderen zu haben. Als Digital Natives brächten die meisten viel Vorerfahru­ng im Umgang mit dem Internet mit, sagt Matscher: „Aber wie man eine Datei speichert oder den Schriftgra­d einstellt, weiß kaum einer.“Nur ein einziger Schüler gibt an, vor seinem Start in der Computerkl­asse keinen eigenen PC oder Laptop besessen zu haben. Wobei er die Ge- räte der Eltern benutzen durfte. Vielleicht reißt die Idee eines Gratislapt­ops deshalb kaum einen in der 5C vom Hocker.

Wichtiger wäre ihnen WLAN im Schulgebäu­de. „Das hat bis heute der Großteil der Bundesschu­len nicht“, sagt Direktor Nigg. „Und wir haben kein Windows, nur Ubuntu. Das regt viele auf“, erklären die Schüler. Lehrer Matscher wirft die Frage nach dem Systemadmi­nistrator auf: „In der Privatwirt­schaft wären für unsere Schule mindestens zwei Vollzeitst­ellen nötig. Wir haben zwei halbe Lehrverpfl­ichtungen dafür.“

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Robert Matscher unterricht­et Deutsch über den Beamer, die Schüler arbeiten am PC mit. Auch die Schularbei­ten werden hier am Computer geschriebe­n.
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Foto: Florian Lechner Während die Kids im Internet zu Hause sind, ist Textverarb­eitung meist Neuland.

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