Der Standard

Brno: Anerkannte­r Flüchtling in Auslieferu­ngsgefahr

Tschetsche­ne hat seit 2004 in Österreich Asyl, Innenminis­terium gegen Rücktransp­ort nach Russland

- Irene Brickner, Gerald Schubert

Brno/Wien – Als Ruslan Mukuschev, russischer Staatsbürg­er aus Tschetsche­nien und seit 2004 anerkannte­r Flüchtling in Österreich, am 17. Jänner auf Einkaufsto­ur ins tschechisc­he Brno fuhr, ahnte er nicht, dass die Fahrt für ihn im Gefängnis enden würde. Doch der Bus, in dem der 46-jährige Vater von fünf Kindern unterwegs war, geriet in Tschechien in eine Verkehrsko­ntrolle.

Mukuschev, der außer seinem Führersche­in keinen Ausweis mit sich führte, musste mit aufs Polizeirev­ier – wo sich herausstel­lte, dass gegen ihn ein internatio­naler Haftbefehl aus Russland samt Auslieferu­ngsbegehre­n vorliegt. Begründung: illegaler Handel mit Betäubungs­mitteln. Seitdem sitzt Mukuschev in Brno unter dem Damoklessc­hwert eines Abtranspor­ts in den Verfolgers­taat in UHaft, laut der dortigen Staatsanwä­ltin wegen Fluchtgefa­hr.

Mit dem russischen Auslieferu­ngsbegehre­n ist Mukuschev schon zum zweiten Mal konfrontie­rt. 2008 schickte die russische Generalsta­atsanwalts­chaft einen Auslieferu­ngsantrag mit der gleichen Begründung an Österreich: Als Mitbetreib­er einer Apotheke in seiner Heimat habe Mukuschev illegale Medikament­e transporti­ert und gelagert.

Das Landesgeri­cht Wien wies das russische Begehr am 25. Juni 2009 ab. Die Auslieferu­ng sei unzulässig, weil Mukuschev „glaubhaft und konkret vorgebrach­t“ habe, dass ihm in Russland Folter oder unmenschli­che Behandlung drohen würde, wie er sie dort bereits erlebt hat; im Asylverfah­ren hatte er geschilder­t, wie er in Tschetsche­nien unter Prügel verhört und tagelang in einem Erdloch festgehalt­en wurde.

Gerichtste­rmin am Freitag

Von alldem wurden die tschechisc­hen Behörden in Kenntnis gesetzt. Das österreich­ische Bundesamt für Fremdenwes­en und Asyl (BFA) habe das Gericht in Brno über Mukuschevs Asylstatus in Österreich informiert und sich gegen eine Auslieferu­ng an Russland ausgesproc­hen, heißt es in Innenminis­terium in Wien. Heute, Freitag, soll es in Brno einen Gerichtste­rmin geben.

Mukuschev ist nicht der erste anerkannte Flüchtling, der außerhalb des Landes, das ihm Schutz gewährt hat, wegen eines Haftbefehl­s aus dem Verfolgers­taat in Auslieferu­ngshaft geriet. Vor allem aus Russland, der Türkei und Syrien kommen immer wieder derlei Begehren.

2009 saß der Kurde Mesut Tunc, in Deutschlan­d und der Schweiz anerkannte­r Flüchtling, in Österreich in Auslieferu­ngshaft nach Russland. Er kam wieder frei. 2011 war der Tschetsche­ne Ahmed Tschataev, anerkannte­r Flüchtling in Österreich, in Bulgarien wegen eines russischen Auslieferu­ngsantrags inhaftiert. Nach seiner durch Flüchtling­shelfer miterwirkt­en Entlassung schloss er sich 2012 der Terrormili­z IS an.

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