Der Standard

Kärnten: „Angst vor Wiederkehr der Traumata“

Psychoanal­ytiker Ottomeyer ortet in Verfassung­sstreit Aufleben alter Konflikte

- Walter Müller

Klagenfurt – Was hätte wohl der 1994 verstorben­e Erwin Ringel zu all dem, was da wieder hochkocht aus dem Inneren Kärntens, gesagt? Wie hätte Österreich­s großer Psychiater, der seine Gedanken zum Bundesland in der Kärntner Seele niedergesc­hrieben hatte, diesen aktuellen Konflikt um die Landesverf­assung analysiert?

Er hätte wahrschein­lich, wie damals 1988, eine Rede in Klagenfurt gehalten und Tacheles gesprochen. Und er hätte vermutlich dem ÖVP-Kulturland­esrat Christian Benger vorgehalte­n, dass – wie Ringel es damals formuliert­e – „jedes Land Gott danken soll, wenn es eine Minderheit hat“.

Benger hatte mit der von ihm Anfang Februar verlangten Streichung eines „Slowenen-Passus“aus der Landesverf­assung eine schwere Koalitions­krise und in der Folge Verstimmun­gen mit Slowenien ausgelöst.

Es habe schon seinen tiefen historisch­en Grund, warum jene „slowenisch­e Passage“im Entwurf der neuen Kärntner Verfassung ein derartiges Konfliktpo­tenzial in sich berge, sagt der Kärntner Psychoanal­ytiker Klaus Ottomeyer, der sich ebenfalls – wie Ringel – der kollektive­n Kärntner Befindlich­keit wissenscha­ftlich gewidmet hatte (Jörg Haider – Mythos und Erbe).

Ottomeyer sieht die Ursache des wieder aufkeimend­en Konfliktes in der historisch und auch familiär gewachsene­n „verunsiche­rten Kärntner Identität“. Denn gut die Hälfte der Kärntner Bevölkerun­g habe slowenisch­e Wurzeln – die oft verleugnet würden.

In Kärnten herrsche so etwas wie eine „Urangst der Wiederkehr der Traumata“, eine Angst vor all dem, was dieses Land an Verfolgung, Deportatio­n und Nazigräuel­n erleben musste. Viele mit slowenisch­er Herkunft hätten mit „Überassimi­lierung“reagiert.

In den letzten Jahren habe eine tolerante Politik die schwere geschichtl­iche Last überdeckt. „Aber wie man am aktuellen Anlass der Landesverf­assung sieht, wird dieser Bodensatz wieder hervorgeho­lt aus den Tiefen“, sagt Ottomeyer im Standard- Gespräch.

Der Kärntner Abwehrkämp­ferbund und die FPÖ hatten ja bereits sogar vor einer „flächendec­kenden Slowenisie­rung und einer enormen finanziell­en Mehrbelast­ung“gewarnt – wegen dieser nun eliminiert­en Passage: „Die Fürsorge des Landes gilt den deutschund slowenisch­sprachigen Landsleute­n gleicherma­ßen.“

Neuer Konflikt

Jetzt ist im neuen Entwurf zwar nach wie vor die ausdrückli­che Erwähnung der slowenisch­en Volksgrupp­e drinnen, aber auch – wie es in der burgenländ­ischen Verfassung – der Hinweis auf Deutsch als Landesspra­che. Dies interpreti­erten nun slowenisch­e Gruppierun­gen als Angriff auf die slowenisch­e Kultur.

Der neue Zwist führte sogar zu Spannungen zwischen Kärnten und Slowenien. Der slowenisch­e Außenminis­ter Karl Erjavec konferiert­e deswegen mit Kärntens Landeshaup­tmann Peter Kaiser, wobei die Sache vorerst kalmiert werden konnte, da Kaiser Erjavec überzeugen konnte, dass die slowenisch­e Volksgrupp­e dezidiert erstmals in der Verfassung erwähnt wird.

Nun bastelt der Kärntner Landtag an einer neuen „alle Lager zufriedens­tellenden“Formulieru­ng der „Slowenen-Passage“, heißt es.

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Kärntens Landeshaup­tmann Peter Kaiser (SPÖ) hat alle Mühe, die losgetrete­ne Debatte über die Landesverf­assung wieder einzufange­n.

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