Wer gegen die „entpolitisierte Clownerie“protestiert
Erstmals seit Jahren war heuer wieder eine Opernballdemo in größerem Stil angesagt – Ein Rückblick
Wien – Wer sollte heute noch gegen den Opernball demonstrieren, und vor allem, warum? Niemand, war der Tenor in den vergangenen Jahren, denn Grund gebe es keinen mehr. Viele derer, die früher als Linke demonstrierten, seien nun selbst eher Ballbesucher als -gegner, analysierte der Soziologe Roland Girtler. Die Szene sei zu zersplittert in marxistische oder trotzkistische Strömungen, sagte der Verfassungsschützer Erich Zwettler. Der Ball sei längst „entpolitisiert“, jetzt zähle die Kunst, meinte dagegen Ex-Organisatorin Desirée TreichlStürgkh. Entpolitisierung ja, stimmte Niki Kunrath von den Grünen zu, aber mehr wegen der „Clownerie“als wegen der Kunst; vor Jahrzehnten hätten kontroverse Personen und Ideen noch polarisiert – wie Franz Josef Strauß.
Bayerns Ministerpräsident hatte sich 1987 für den Opernball angesagt, als in Deutschland längst gegen seine Pläne einer Wiederaufarbeitungsanlage für Kernbrennstäbe bei Wackersdorf protestiert wurde. Strauß’ Besuch zog den Zorn der österreichischen Atomkraftgegner ebenso auf sich wie die Einladungspolitik der Republik. Dabei war auch das offizielle Österreich vom Staatsgast nicht begeistert, hatte er doch kurz zuvor bindende Aids-Tests für einreisende Nicht-EG-Ausländer gefordert – die laut Strauß nicht zum „europäischen Hygienekreis“gehörten und zu denen auch die Österreicher zählten.
Konkurrenz der Protestevents
Strauß zog die Pläne später zurück, doch am Abend des 26. Februar 1987 versammelten sich 500 Menschen vor der Staatsoper, um erstmals gegen den Ball zu demonstrieren. Flaschen flogen und Raketen, und gegen 22.00 Uhr erhielt die Polizei den „Befehl zum Gebrauch der Gummiknüppel“. 40 Personen wurden bei den schwersten Auseinandersetzungen zwischen Bürgern und der Exekutive seit der Besetzung von Hainburg festgenommen.
1988 untersagte die Polizei eine neuerliche Demo, dennoch fanden sich 3000 Personen vor der Oper ein. Wieder wurden Dutzende verletzt oder festgenommen, dito 1989 und 1990. 1991 fiel der Ball wegen des Golfkriegs aus, und bis auf ein paar Unverbesserliche schrie auch niemand gegen die Nichtveranstaltung an. In den 1990er-Jahren verlief sich die kurze Tradition der Opernballdemos, bis sie 2000 im Fahrwasser der Proteste gegen die ÖVP-FPÖ-Regierung wieder an Elan gewann. 15.000 Menschen kamen, doch es war nur ein kurzes Aufflackern. In den Nullerjahren mobilisierte die Polizei oft noch mehr als tausend Einsatzkräfte, doch ihnen standen erst nur mehr wenige Hundert, dann lediglich eine Handvoll Demonstranten gegenüber. Längst war der Akademikerball zum größeren Protestevent geworden.
Zurück zur Einstiegsfrage: Die Jugend- und Studentenverbände der Kommunistischen Partei sahen auch 2017 noch einen Grund, um gegen den Ball zu demonstrieren. „Eat the rich“, heißt er in der Kurzfassung. Mieten steigen, Löhne sinken – und bei dem dekadenten Fest „schütteln sich Politik und Kapital die Hände“.