Der Standard

Der FPÖ-Chef und das Kanzleramt: Strache geht in Stellung

Heinz-Christian Strache schließt aus, einem anderen blauen Kandidaten in der Regierung den Vortritt zu lassen. Der FPÖ-Chef über wirtschaft­liche Wunschlist­en, brennende Städte und Fake-News.

- INTERVIEW: Gerald John, Peter Mayr

STANDARD: Sie waren diese Woche beim Bundespräs­identen zum Gespräch. Haben Sie ihn überreden können, dass er Sie doch als Bundeskanz­ler angeloben würde? Strache: Das war kein Thema. Ich hatte mit Alexander Van der Bellen immer schon ein freundlich­es Gesprächsk­lima, und sowohl er als auch ich wissen, dass in Wahlkämpfe­n vieles gesagt wird, was überspitzt ist.

STANDARD: Haben Sie sich gar für etwas entschuldi­gt? Strache: Nein, aber ich habe festgehalt­en, dass wir sehr wohl Respekt vor dem Amt haben. Deshalb war es mir wichtig, ihm gegenüber jene Fake-News zu widerlegen, die manche Medien verbreitet haben: Die Freiheitli­chen haben bei Van der Bellens Angelobung sehr wohl applaudier­t.

STANDARD: Nur sehr kurz. Strache: Nein, eine Minute lang, wie es respektvol­l und angemessen ist, aber eben nicht sieben Minuten. Wir sind nicht in Nordkorea, wo man auf Dauer-StandingOv­ations-Applaus schalten muss.

Standard: Sie haben einmal gesagt, die FPÖ werde kein zweites Mal in einer Koalition zugunsten des Juniorpart­ners auf den Kanzler verzichten. Heißt das auch, dass es auf jeden Fall Sie persönlich sein werden, der das Amt übernimmt? Strache: So ist es. Stellt die FPÖ den Bundeskanz­ler, dann heißt dieser Heinz-Christian Strache.

Standard: Ein potenziell­er Koalitions­partner, die SPÖ, liebäugelt offen mit Grünen und Neos. Sind Sie enttäuscht, wo doch SPÖ-Chef Christian Kern beim Radioauftr­itt im Herbst so nett zu Ihnen war? Strache: Manchmal habe ich den Eindruck, Journalist­en leben in einem Parallelun­iversum. Das Gespräch mit Kern wird völlig überbewert­et. Wir sind normal miteinande­r umgegangen, ohne uns zu beflegeln – mehr nicht. Dass RotGrün-Neos immer die Wunschvors­tellung von Kern und seiner Berater war, liegt auf der Hand. Für mich bleibt er ein Kanzler, der sich keiner demokratis­chen Bürgerwahl gestellt hat und linke Positionen vertritt, die ich ablehne – etwa die Erbschafts-, Vermögens- und Maschinens­teuer.

Standard: Die letzte blaue Regierungs­zeit beschäftig­t die Politik immer noch. Geben Sie jetzt, wo Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil Einsicht in die Anzeige gegen den Hersteller des Eurofighte­rs gewähren will, grünes Licht für einen Untersuchu­ngsausschu­ss? Strache: Grundsätzl­ich sind wir immer für Aufklärung.

Standard: Warum bremsen Sie dann? Strache: Ich bremse nicht – auch da wundere ich mich über Fehlinterp­retationen in den Medien. Die FPÖ ist für U-Ausschüsse, sofern genug Substanz da ist. Die Frage ist: Was hat Doskozil in die Anzeige geschriebe­n? Laut seiner Auskunft stammen die neuen Hinweise vom Grünen Peter Pilz. Deshalb fordere ich: Doskozil und Pilz müssen aufhören zu vertuschen und die Informatio­nen offenlegen.

Standard: Das soll ja jetzt im Nationalen Sicherheit­srat passieren. Strache: Das werden wir erst sehen. Für einen U-Ausschuss brauche ich Futter. Doch Journalist­en, die angeblich Einsicht in die Anzeige hatten, sagen: Da ist nichts Neues. In dem Fall wäre es besser, die Ermittlung­en der Staatsanwä­lte abzuwarten, ob neue Fakten bekannt werden. Für eine Ego-Show des Peter Pilz bin ich nicht zu haben, das wäre das Schlechtes­te für jede seriöse Aufklärung. Standard: Vielleicht haben Sie aber auch Sorge, dass Leichen aus schwarz-blauer Zeit auftauchen. Strache: Keineswegs. Ich bin froh über jede Aufklärung zu den Eurofighte­rn, die ein zentraler Grund waren, warum sich die FPÖ damals gespalten hat. Alle, die unter Verdacht stehen, sind heute geschlosse­n beim BZÖ.

Standard: Noch ein Rückblick in schwarz-blaue Zeiten: Damals hat der kleine Mann, den die FPÖ so gerne beschwört, für das Ziel des Nulldefizi­ts massive Belastunge­n geerntet. Warum sollen die Menschen glauben, dass es dieses Mal anders wird, wenn die FPÖ regiert? Strache: Weil die FPÖ unter meiner Obmannscha­ft heute eine völlig andere Partei ist. In ein paar Wochen präsentier­en wir ein Wirtschaft­s- und Arbeitsmar­ktkonzept für das Jahr 2017, aber nicht unter klassenkäm­pferischen Vorzeichen, wie sie die Linken setzen. Wir gehen die realpoliti­schen Probleme an, von der Rekordarbe­itslosigke­it über die extreme Steuerlast bis zu den Wettbewerb­snachteile­n, unter denen Unternehme­n etwa durch den hohen Strompreis leiden.

Standard: Wollen Sie etwas rückgängig machen, was die FPÖ einst mitbeschlo­ssen hat? Strache: Wir wollen die Gruppenbes­teuerung mit einer Einschleif­regelung schrittwei­se abschaffen. Dieser Steuervort­eil für Konzerne war berechtigt, um neue Unternehme­nsstandort­e zu schaffen, doch wir waren immer für eine zeitliche Begrenzung.

Standard: Auch heute noch verstecken sich hinter der Kleiner-MannRhetor­ik der FPÖ doch immer wieder neoliberal­e Forderunge­n. Strache: Wo sehen Sie die?

Standard: Der blaue Wirtschaft­sflügel fordert zum Beispiel, von den Kollektivv­erträgen abzugehen. Strache: Parteilini­e ist das nicht. Es ist das gute Recht von Wirtschaft­svertreter­n, alte Regelungen zu hinterfrag­en. Aber in unserem neuen Wirtschaft­skonzept wird diese Forderung nicht stehen.

Standard: Sie fordern massive Steuersenk­ungen, um die Abgabenquo­te von 44 auf 40 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es zu senken, und eine stärkere Budgetkons­olidierung. Das würde den Sozialstaa­t aushöhlen: All die sozialen Goodies, die Sie Wählern verheißen, wären nie finanzierb­ar. Strache: Das Gegenteil ist der Fall. Es ist die Regierungs­politik, die den Sozialstaa­t kaputtmach­t: Die Sozialausg­aben explodiere­n, weil es massiven Missbrauch gibt. So wie das Werkel läuft, muss es zusammenbr­echen. Wir haben die verdammte Verantwort­ung, auch mit nicht-österreich­ischen Ökonomen das Budget zu durchleuch­ten, und wir müssen die Abgabenquo­te runterbrin­gen, um die Wettbewerb­sfähigkeit zu retten.

Standard: Wie wollen Sie diese Steuersenk­ung denn finanziere­n? Strache: Wenn sich Leistung wieder lohnt und die Fleißigen im Land nicht permanent geschröpft werden, wird viel aus der Schwarzwir­tschaft in den legalen Wirtschaft­skreislauf zurückflie­ßen. Gleichzeit­ig muss ernst genommen werden, was seit Jahren alle Experten predigen: Wird der Förderdsch­ungel durchforst­et und eine Verwaltung­sreform durchgezog­en, kann der Staat mittel- bis langfristi­g pro Jahr zwölf Milliarden Euro einsparen, ohne die Leistungen zu reduzieren.

Standard: Diese Erwartung ist doch völlig überzogen. Strache: Nein. Fragen Sie zum Beispiel einmal Ex-SPÖ-Finanzmini­ster Hannes Androsch!

Standard: Sie waren bei der Inaugurati­on von US-Präsident Donald Trump. Kann sich die FPÖ von ihm etwas abschauen? Strache: Es ist eher umgekehrt: Wenn ich den Slogan „America first“hernehme, dann dürften die Amerikaner „Österreich zuerst“abgeschrie­ben haben.

Standard: Noch eine Ähnlichkei­t gibt es. Sie beklagen sich ständig über die Medien, auch in diesem Gespräch schon mehrfach. Warum diese Opferrolle? Strache: Ich nehme keine Opferrolle ein. Ich bewerte nur die Berichters­tattung – und da sehe ich schon krasse Verfehlung­en. Journalist­en müssen damit leben, dass sie bewertet werden wie Politiker auch. Wichtig ist, dass man die Größe hat, Fehler einzugeste­hen.

Standard: Die FPÖ produziert doch selbst Fake-News. Sie haben eben 12.000 Euro zahlen müssen, weil Sie Staatssekr­etärin Muna Duzdar von der SPÖ in die Nähe von Terroriste­n gerückt haben. Strache: Bei aller Wertschätz­ung: Eine ehemalige Terroristi­n wurde nach Wien eingeladen, und das ist ein Skandal. Ich habe mir lediglich erlaubt, einen Zeitungsar­tikel zu zitieren, und das nicht einmal explizit. Ich halte das Urteil für hinterfrag­enswert, führe hier aber keine Rechtsdeba­tte.

Standard: Wir interessie­ren uns eh mehr für das politische Motiv dahinter, denn es handelt sich um kei- nen Einzelfall. Die FPÖ musste unlängst auch widerrufen, dass die mittlerwei­le abgetreten­e Wiener Stadträtin Sonja Wehsely eine Weisung erteilt habe, Ausländern ohne Überprüfun­g die Mindestsic­herung gewährt zu haben. Strache: Mittlerwei­le hat ein Rechnungsh­ofbericht bei der Mindestsic­herung in Wien alle möglichen Missstände aufgedeckt.

Standard: Das heißt nicht, dass Wehsely eine Weisung gegeben hat. Strache: Wir haben nur die Aussage eines Informante­n wiedergege­ben, auf den auch der Rechnungsh­of zurückgegr­iffen hat. Ich könnte Ihnen nun eine Liste vorlegen, wer aller gegen mich Prozesse verloren hat. Das ist das tagtäglich­e Spannungsf­eld in der Politik. Wenn man kontrollie­rt, ist man immer auf einer Gratwander­ung. Da können Fehler passieren.

Standard: Geht es der FPÖ nicht vielmehr um gezielte Stimmungsm­ache? Auf Facebook haben Sie einen Text Ihres Generalsek­retärs Herbert Kickl verlinkt. „In Frankreich brennen die Städte“, heißt es da, angezündet von „randaliere­nden Migrantenh­orden“. Strache: In 20 französisc­hen Städten gibt es Ausschreit­ungen, da werden Geschäfte zerstört, Autos angezündet, das sind fast bürgerkrie­gsähnliche Szenarien. Bei uns in der breiten Medienland­schaft ist das eher eine Randnotiz. Das stimmt einen nachdenkli­ch.

Standard: Die Medien berichtete­n sehr wohl – nur eben nicht über „brennende Städte“, weil das eine unglaublic­he Aufbauschu­ng wäre. Strache: Schauen Sie sich die Bilder an!

Standard: Den Auslöser, ein mutmaßlich­er Akt der Polizeigew­alt, erwähnt Kickl nicht. Strache: In Beiträgen, die ich auf meiner Facebookse­ite poste, wird darauf sehr wohl eingegange­n. Es geht nicht um Dramatisie­rung, sondern um Medienfrei­heit. Viele Bürger fragen sich, warum gewisse Vorfälle in unserer Medienland­schaft kleingehal­ten werden. Die neuen Formen der Kommunikat­ion sind deshalb so beliebt, weil es dort Meinungsvi­elfalt gibt.

Standard: Oder weil sich die Leute dort auskotzen können – und von der FPÖ aufgestach­elt werden. Strache: So sehe ich das nicht. Wie in jeder anderen Redaktion passieren auch bei mir Fehler. Aber in der Regel überwiegen­d gibt es eine korrekte Berichters­tattung.

Standard: Sie versuchen sich in Worten vom Rechtsextr­emismus abzugrenze­n … Strache: … auch in Taten.

Standard: Warum trat Kickl dann vor wenigen Monaten in Linz bei einem Kongress auf, dessen Veranstalt­ern der Verfassung­sschutz „äußerst fremdenfei­ndliche, antisemiti­sche Tendenzen“attestiert? Strache: Hat der Verfassung­sschutz das gemacht? Ich weiß nur, dass die Bewertung im Auftrag des Landes Oberösterr­eich kein Gefährdung­spotenzial ausgewiese­n hat. Kickl hat nur ein Referat gehalten, und einer Diskussion sollte man sich immer stellen. Wir diskutiere­n ja auch mit den Grünen, mit Linksparte­ien, treten im Europaparl­ament auf.

Standard: Zwischen dem EU-Parlament und einem rechtsextr­emen Event gibt es Unterschie­de. Strache: Ein Referat ist ein Referat. Es ist zu bewerten, welche Position der Referent vertritt.

Da werden Geschäfte zerstört, das sind fast bürgerkrie­gsähnliche Szenarien. Bei uns in der Medienland­schaft ist das eher eine Randnotiz. Das stimmt einen nachdenkli­ch.

HEINZ-CHRISTIAN STRACHE (47) ist seit 2005 Bundespart­eiobmann der FPÖ, laut Umfragen derzeit stärkste Partei.

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Verbreitet die FPÖ gezielt Falschmeld­ungen? „Das ist das Spannungsf­eld der Politik“, sagt Strache.

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