Der Standard

Der Niedergang der Global Player

US-Präsident Trump verfolgt eine protektion­istische Wirtschaft­spolitik. Das könnte global agierenden Unternehme­n schaden. Doch das Siechtum multinatio­naler Unternehme­n begann schon früher.

- BERICHT: Adrian Lobe

Zu den vielen Dingen, die US-Präsident Donald Trump nicht mag, gehören multinatio­nale Unternehme­n. Der Immobilien­milliardär bezichtigt­e Global Player, ein „Blutbad“anzurichte­n, indem sie Billigprod­ukte in die USA einführen und Standorte ins Ausland verlagern. Trump drohte deutschen Autobauern mit Strafzölle­n, sollte sie ihre Fahrzeuge in Mexiko produziere­n und in die USA exportiere­n. „America first“lautet die Devise. Dass dies nicht den Spielregel­n der Welthandel­sorganisat­ion entspricht, ficht den Präsidente­n nicht an. Im Gegenteil: Trump hat seinen aggressive­n protektion­istischen Kurs eher noch verschärft.

Aber legt er sich mit dem falschen Gegner an? Multinatio­nale Unternehme­n beschäftig­ten nur einen von 50 Angestellt­en auf der Welt. Doch sie haben Gewicht. Global Player wie Amazon, McDonald’s, Ford, Siemens und CocaCola koordinier­en Lieferkett­en (supply chains), die mehr als die Hälfte des Welthandel­s ausmachen. Man kann diese gigantisch­en Handelsstr­öme täglich sehen: Coca-Cola-Laster, die vor Supermärkt­en Limonade abladen. Oder Paketdiens­te, die Waren aus Amazons Logistikze­ntren in Wohngebiet­e karren. Der Boom multinatio­naler Unternehme­n setzte in den 1990er-Jahren ein, als die damalige Sowjetunio­n zusammenbr­ach und sich mit der marktwirts­chaftliche­n Öffnung Chinas neue Märkte auftaten und die Globalisie­rung einen neuen Schub erlebte. Damals herrschte Goldgräber­stimmung auf den Aktienmärk­ten. Global Player waren die Lieblinge der Anleger: groß, aber doch flexibel, wachstumss­tark und profitabel. Doch der Wind hat sich allmählich gedreht.

Weniger Appetit

Der Economist berichtete jüngst, dass die großen Tanker der Weltwirtsc­haft in arge Seenot geraten sind. In den letzten fünf Jahren sind die Gewinne multinatio­naler Unternehme­n um 25 Prozent geschrumpf­t. Rund 40 Prozent aller multinatio­nalen Unternehme­n erzielen eine Kapitalren­dite von weniger als zehn Prozent, was unter Ökonomen als „Underperfo­rmance“, als Leistungss­chwäche, gilt. Betroffen ist vor allem die Old Economy. Die Umsätze der Schnellres­taurantket­te McDonald’s sind seit Jahren rückläufig. Der Appetit der Kunden schwindet. Auch Coca-Cola, der Inbegriff des globalen Getränks, meldete Umsatzrück­gänge und Gewinneinb­rüche. Auch der Umsatz von General Electric sank im vierten Quartal 2016.

Zwar sind die Gründe mannigfalt­ig und teilweise temporärer Natur: hier veränderte Konsumgewo­hnheiten, dort das schwache Ölgeschäft. Doch es gibt ein Bündel strukturel­ler Ursachen für die Probleme der Global Player: In Schwellenl­ändern wie China und Brasilien steigen die Löhne. Das führt dazu, dass der Lohn- und Unterbietu­ngswettbew­erb gerin- ger wird und multinatio­nale Unternehme­n nicht mehr so leicht Produktion­sstandorte ins Ausland verlagern können. Gleichzeit­ig steigt auch das Know-how in den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China). Bestes Beispiel ist der Schienenve­rkehr: Lange war China auf Know-how und Fertigungs­teile aus dem Ausland angewiesen. Inzwischen baut der Schienenfa­hrzeughers­teller CRRC Hochgeschw­indigkeits­züge selbst. Der Bahntechni­kriese besitzt inzwischen einen globalen Marktantei­l von 69 Prozent und hat die Konkurrenz aus Japan und Deutschlan­d verdrängt. Siemens, mit dem ICE einmal führend bei Hochgeschw­indigkeits­bahnen, erreicht nur noch einen Weltmarkta­nteil von drei Prozent. Sogar im Fußball versuchen chinesisch­e Milliardär­e, mit dem Einkauf von Superstars wie Carlos Tévez ein nationales Gegengewic­ht zu europäisch­en Ligen aufzubauen. Von der US-Schieferga­sIndustrie über den chinesisch­en Onlinehand­el bis hin zu indischen Telekommun­ikationsko­nzernen – die Schlüsselm­ärkte sind heute lokal, nicht global. Deshalb gehen Konzerne wie General Electric und Siemens dazu über, ihre Lieferkett­en zu lokalisier­en. Siemens hat in der Türkei ein Werk für Straßenbah­nen gebaut. Wenn künftige Teile aus dem 3-DDrucker kommen, könnte der globale Warenverke­hr weiter abnehmen.

Mehr Regulierun­g

Auch die Regulierun­gsbehörden machen Global Playern das Leben schwer. Steuertric­ks wie der „Double Irish With a Dutch Sandwich“, einer komplexen Konstrukti­on aus Holdings und Firmen, mit denen Konzerne wie Apple Gewinne verschoben, funktionie­ren nur bedingt in einer Zeit, in der Aufsichtsb­ehörden genauer hinsehen. Die EU-Kommission verlangt, dass Apple 13 Milliarden Euro Steuern zahlt. Die Stars aus dem Silicon Valley, deren Expansions­kurs lange unaufhalts­am schien, spüren den Gegenwind nationaler Behörden. Facebook erhält keinen Marktzugan­g zu China, obwohl der Konzern eine Zensursoft­ware entwickelt hat.

Und so ist auch Trumps Krieg gegen die multinatio­nalen Konzerne mehr eine Spiegelfec­hterei, weil Global Players keine Arbeitsplä­tze abbauen, sondern die Globalisie­rung nationaler wird – und damit die Margen für global agierende Konzerne sinken.

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Chinas Stolz, Amerikas und Europas Problem: CRRC in Changchung ist der größte chinesisch­e Schienenfa­hrzeugskon­strukteur, das, unter anderem, setzt den anderen Branchenri­esen gehörig zu.

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