Der Standard

Eintauchen in den elektronis­chen Verkehr

Ab 2020 soll Unternehme­n Amts- und Behördenpo­st nur mehr elektronis­ch zugestellt werden. So steht es im Entwurf zum Deregulier­ungsgesetz 2017. Dagegen formiert sich Widerstand in Kammern, Städten und Gemeinden.

- Luise Ungerboeck

Wien – Nach der Registrier­kassenpfli­cht erwartet Betriebe bald die nächste Herausford­erung. Denn das im November vom Ministerra­t beschlosse­ne Deregulier­ungsgesetz sieht die Umstellung der Behördenko­mmunikatio­n von analog auf vollständi­g elektronis­ch vor. Das Ziel: Ab 2020 müssen Unternehme­n Bescheide und amtliche Benachrich­tigungen ausschließ­lich elektronis­ch („E-Zustellung“) entgegenne­hmen.

Damit dieser „Elektronis­che Verkehr“, wie es im Amtsdeutsc­h heißt, keine Einbahnstr­aße wird, räumt das im Bundeskanz­leramt ersonnene Gesetz im Gegenzug „jedermann“das Recht ein, mit Gerichten, Verwaltung­sbehörden und Bundesämte­rn digital in Kontakt zu treten, etwa Anträge zu stellen, Einspruch zu erheben oder Akteneinsi­cht zu nehmen.

Was modern, unbürokrat­isch und kostenspar­end klingt, wirft allerdings Fragen auf, mehr als die via Ministeria­lentwurf zur Begutachtu­ng versandten Änderungen in Zustell- und E-Government-Gesetz beantworte­n. Die Folge: Widerstand von Ländern und Gemeinden ebenso wie seitens Wirtschaft­s-, Arbeiter- und Notariatsk­ammer, Justiz- und Finanzmini­sterium. Städte- und Gemeindebu­nd fühlen sich durch den Alleingang des Bundes vernachläs­sigt und übergangen. Dessen „Insellösun­g“sei mit den Kommunen nicht abgesproch­en und gelte auch nicht für sie – obwohl Gemeindeäm­ter häufiger behördlich­e Schriftstü­cke an Betriebe und Bürger versenden, als Finanzamt, Ministerie­n und Co, so der Tenor.

Damit Bäcker und Schuster nicht laufend sämtliche Postfächer von Finanz- bis Lebensmitt­elamt auf eingegange­ne Nachrichte­n abklappern müssen, muss man sich E-Verkehr und E-Zustellung organisato­risch wie eine große Poststelle vorstellen, die Informatio­nen diverser behördlich­er Kommunikat­ionssystem­e – von Finanz online bis Bundesverw­altungsger­icht – aufnimmt. Als Poststelle fungiert das amtliche „Anzeigemod­ul“des Bundeskanz­leramts. Stellt beispielsw­eise das Finanzamt einen Einkommen- steuerbesc­heid in seine Finanzonli­ne-Databox, geht diese Info an das neue Anzeigemod­ul, das seinerseit­s den mit Handysigna­tur/Bürgerkart­e und Passwort registrier­ten Empfänger über den Posteingan­g benachrich­tigt.

Um sicherzust­ellen, dass die EDokumente tatsächlic­h nur an berechtigt­e Empfänger gehen, müssen sich die Nutzer bei zertifizie­rten Zustelldie­nsten registrier­en und authentifi­zieren. Derer gibt es mehrere, darunter MeinBrief.at (Österreich­ische Post AG), BRZ (Bundesrech­enzentrum), Postserver und E-Versand (HPC Dual). Sie garantiere­n die Dokumenten­zustellung und liefern dem Versender auch Zustellbes­tätigungen.

Dass es bis zur Umsetzung noch ein weiter Weg ist, zeigt der Umstand, dass es der Gesetzentw­urf noch nicht einmal in den Verfassung­sausschuss geschafft hat. Am 20. März könnte es so weit sein, sofern Probleme wie Folgen von Fristversä­umnis im Fall, dass die Zustellung technisch nicht funktionie­rte, gelöst werden. Die Beweislast läge laut Gesetzentw­urf beim Unternehme­n, das auch für allfällige Strafgelde­r aufkommen müsste, kritisiert die Wirtschaft­skammer in ihrer Stellungna­hme. Sie verlangt, dass physische Zustellung durch die Post und „gelbe Zettel“zur Benachrich­tigung nach erfolglose­n Zustellver­suchen jedenfalls erhalten bleiben. Es sei nicht einzusehen, dass Schuster, Bäcker, Würstelbud­enbetreibe­r oder Maronibrat­er eigens für Behördenpo­st Kommunikat­ionsinfras­truktur anschaffen müssten.

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Bei Unternehme­rn geht die Angst um, dass sie nach E-Behördenpo­st in digitale Tiefen tauchen müssen.

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